Aktuelles zum Mantelkauf
News – 10.01.2022
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 20. Oktober 2021, Ro 2021/13/0007, seine Rechtsprechung zum Mantelkauf präzisiert und festgehalten, dass die Vereinigung von Betriebs- und Besitzgesellschaft zu einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur der Besitzgesellschaft führt.
Ausgangslage
Die Vortragsfähigkeit von steuerlichen Verlustvorträgen geht in jenem Zeitpunkt verloren, in dem „die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist“ (Mantelkauf nach § 8 Abs 4 Z 2 lit c KStG). Sämtliche der drei Strukturänderungen (Änderung Gesellschafterstruktur, organisatorische Struktur und wirtschaftliche Struktur) müssen kumulativ vorliegen, um den Mantelkauftatbestand zu erfüllen.
In der Praxis ist die Frage der Änderung der wirtschaftlichen Struktur das am schwierigsten zu beurteilende Tatbestandsmerkmal. Für eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur ist entweder eine hinreichend große Erhöhung des Vermögens (quantitatives Element) oder eine wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes (qualitatives Element) oder eine kombinierte Änderung beider Parameter erforderlich.
In einer aktuellen Entscheidung hat sich der VwGH mit dieser Frage auseinandergesetzt und seine diesbezügliche Rechtsprechung präzisiert.
Zum Sachverhalt
Das Vermögen der rein vermögensverwaltenden W-GmbH (Revisionswerberin) bestand aus medizinischen Geräten (Röntgenanlagen udgl) und Ordinationsräumlichkeiten, die die Revisionswerberin an die operativ im Bereich Röntgen und Computertomographie tätige W-OG vermietete. Im Dezember 2013 veräußerte Arzt W (Gesellschafter der Revisionswerberin sowie der W-OG) die Anteile an der Revisionswerberin an den Arzt R, der auch die Geschäftsführung bei der Revisionswerberin übernahm. Zugleich erfolgte eine Umstrukturierung dergestalt, dass sämtliche Anteile an der W-OG in die Revisionswerberin eingebracht wurden und es gem § 142 UGB zur Anwachsung des Betriebes der W-OG auf die Revisionswerberin kam. Anstatt einer vermögensverwaltenden Tätigkeit übte die Revisionswerberin seither eine operative Tätigkeit (Ordinationsbetrieb) aus.
Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Revisionswerberin im Jahr 2017 wurden Verlustvorträge in Höhe von EUR 850.000 aus den Jahren vor 2013 mit Verweis auf die Verwirklichung eines Mantelkauftatbestandes nicht anerkannt. Gegen die idZ erlassenen Bescheide erhob die Revisionswerberin das Rechtsmittel der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht (BFG) wies die Beschwerde ab und führte zur wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur (die Änderung der gesellschaftlichen und organisatorischen Struktur war jeweils unstrittig) im Wesentlichen aus, dass mit der Umstrukturierung (i) eine vermögensverwaltende auf eine operative Tätigkeit umgestellt wurde, (ii) sich die jährlichen Einnahmen von rund EUR 220.000 auf rund EUR 1.500.000 erhöht haben (iii) Mitarbeiter eingestellt wurden und (iv) sich die Vermietungstätigkeit von zuvor 100% des Umsatzes auf 2,7% des Umsatzes reduzierte.
Gegen die abweisende BFG-Entscheidung erhob die Revisionswerberin Revision beim VwGH.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH hat der Revision als unbegründet abgewiesen und die BFG-Entscheidung bestätigt.
Begründend führt der VwGH aus, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur grds einen Wechsel oder eine wesentliche Erweiterung des Unternehmensgegenstandes voraussetzt.
Zwar änderte sich laut VwGH das Betriebsvermögen der Revisionswerberin anlässlich der Umstrukturierung nicht wesentlich. Die Umstrukturierung bewirkte aber eine wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes, da das Betriebsvermögen vor Umstrukturierung ausschließlich der Vermögensverwaltung (Vermietung an operativ tätige Gesellschaften) diente und nach Umstrukturierung großteils selbst operativ genutzt wurde. Für die operative Nutzung wurde bei der Revisionswerberin Personal eingestellt und die Umsätze wurden erheblich ausgeweitet.
Laut VwGH ist es dadurch zu einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur der Revisionswerberin gekommen. In Zusammenhalt mit den unstrittigen Änderungen der organisatorischen Struktur und der Gesellschafterstruktur ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die (frühere) Identität der Revisionswerberin nicht mehr gegeben.
Auswirkungen auf die Praxis
Im revisionsgegenständlichen Fall hat der VwGH eine wesentliche Änderung des Unternehmensgegenstandes (qualitatives Element) bei Vereinigung einer Betriebs- mit einer Besitzgesellschaft angenommen. Folglich war zur Annahme einer Änderung der wirtschaftlichen Struktur eine zusätzliche Erhöhung des Vermögens (quantitatives Element) grds nicht erforderlich. Dennoch hat der VwGH explizit (wohl im Sinne eines obiter dictum) auf die Einstellung von Personal und die erhebliche Ausweitung der Umsätze verwiesen. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob (i) die Bezugsgröße zur Beurteilung einer quantitativen Erweiterung – abweichend zur hA – nicht nur das Betriebsvermögen, sondern auch die Umsätze und die Anzahl der Mitarbeiter ist oder (ii) der Verweis auf die Umsatzerweiterung und den Personalaufbau im Sinne eines Nachweises für die Wesentlichkeit des geänderten Unternehmensgegenstandes zu verstehen ist.
Spannend ist zudem, dass die W-OG iRe Einbringung nach Art III UmgrStG auf die W-GmbH übertragen wurde und somit neben dem allgemeinen Mantelkauftatbestand auch der sog. erweiterte Mantelkauftatbestand nach § 21 Z 3 UmgrStG einschlägig ist (vgl Zorn, RdW 2021, 877). Letzterer entfaltet für eigene Verluste der übernehmenden Körperschaft eine „begünstigende Schattenwirkung“ dahingehend, dass die Änderung der wirtschaftlichen Struktur bei der übernehmenden Körperschaft isoliert für das originär eigene Vermögen (und nicht in Zusammenschau mit dem einbringungsbedingt erworbenen Vermögen) zu erfolgen hat (s. Furherr in Kofler UmgrStG10 § 21 Rz 86 mwN). Auf der Grundlage hätte die Schädlichkeit der wirtschaftlichen Strukturänderung (die erst infolge der Einbringung und Anwachsung eingetreten ist) ggf. bekämpft werden können. Im Verfahrensgang vor dem BFG und dem VwGH wurde dieses Argument aber – soweit ersichtlich – nicht ins Treffen geführt. Um negative Auswirkungen auf steuerlichen Verlustvorträge zu vermeiden, gilt es allgemein noch vor Umsetzung einer Umstrukturierung die Verlustübergangsregelungen umfassend zu prüfen.
Gerne unterstützen wir Sie dabei und stehen für Fragen zur Verfügung.
Autor:innen
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Gebhard FurherrWirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person
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Johannes ReiterSteuerberater | DirectorDetails zur Person