Begutachtungsentwurf der Verrechnungspreislinien 2020
News – 13.01.2021
Nach zehn Jahren werden nun die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien (VPR 2010) einer umfassenden Überarbeitung unterzogen. Dazu wurde ein Begutachtungsentwurf zu den Verrechnungspreisrichtlinien 2020 (VPR 2020) versendet. Die VPR 2020 sollen an die Stelle der VPR 2010 treten. In die VPR 2020 wurden einerseits die auf OECD-Ebene zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen, welche insbesondere unerwünschte Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen vermeiden sollen, eingearbeitet. Andererseits finden sich zahlreiche Neuerungen, welche die österreichische Verwaltungspraxis im Bereich der Verrechnungspreise deutlich beeinflussen werden. Die VPR 2020 stellen einen Auslegungsbehelf zum Fremdvergleichsgrundsatz dar und sollen einer einheitlichen Anwendung seitens der Finanzverwaltung dienen. In der Praxis kommen diesen große Bedeutung zu. Nachfolgend werden die wesentlichsten Änderungen bzw Aussagen überblicksmäßig dargestellt. Die allgemeine Begutachtung endete am 10. Jänner 2021, sodass eine finale Veröffentlichung noch im ersten Quartal 2021 möglich wäre.
1 Wahl der Verrechnungspreismethoden
Im Rahmen der Erläuterung der anwendbaren Verrechnungspreismethoden wird nunmehr in den VPR 2020 der Praxis folgend der geschäftsfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) ein größerer Stellenwert beigemessen. Die TNMM wird häufig als Ersatzmethode für die Kostenaufschlags- oder die Wiederverkaufspreismethode angewendet, da sie technisch ähnlich wie diese Methoden funktioniert, die Angemessenheit aufgrund des verfügbaren Datenmaterials (durch Verwendung von Datenbanken) aber regelmäßig einfacher dokumentiert werden kann.
Bei der Auswahl der anzuwendenden Methode ist unverändert jener Methode der Vorzug zu geben, die die größte Sicherheit für die Ermittlung eines fremdvergleichskonformen Verrechnungspreises bietet. Bei gleicher Sicherheitswahrscheinlichkeit sind die Standardmethoden den Gewinnmethoden vorzuziehen. Übernommen wurde in den VPR 2020 nunmehr die Auffassung der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze (OECD-VPG), wonach bei gleicher Zuverlässigkeit der Preisvergleichsmethode und einer anderen Methode der Preisvergleichsmethode der Vorzug zu geben ist.
Bei Vertriebseinheiten, welche als limited risk distributoren auftreten, wird entsprechend den VPR 2020 die Wiederverkaufspreismethode oder eine umsatzbezogene TNMM zur Anwendung gelangen. Tritt hingegen bei einer Vertriebsaktivität die Dienstleistung in den Vordergrund, so wird sich die Kostenaufschlagsmethode oder eine kostenbezogene TNMM als die zielgenauere Methode erweisen.
Bislang ging die Verwaltungspraxis bei Dienstleistungen mit Routinecharakter von einem fremdüblichen Gewinnaufschlag zwischen 5 % und 15 % aus. Ab 1. Jänner 2021 soll als Orientierungshilfe in diesen Fällen ein Gewinnaufschlag zwischen 3 % und 10 % (häufig 5 %) herangezogen werden. Die VPR 2020 betonen allerdings, dass es sich hierbei nicht um eine Bandbreite handelt, innerhalb welcher jeder Prozentsatz gleichermaßen fremdüblich sei, sondern vielmehr bspw anhand von konkreten Erfahrungswerten von Vergleichsbetrieben die Höhe des Aufschlagssatzes im Einzelfall nachvollziehbar zu begründen ist. Die VPR 2020 räumen allerdings ein, dass bei hochwertigeren Dienstleistungen (zB bei Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten) ein bloß 5 %iger Aufschlag jedoch nicht angemessen sein wird.
Neu übernommen wurde in den VPR 2020 auch das Konzept der OECD-VPG zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung (sog „low value adding intergroup services“). Österreich folgt hier der Empfehlung der OECD-VPG und wendet diese erleichternden Grundsätze für ab 1. Jänner 2021 erbrachte Dienstleistungen an. Unter Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung werden unterstützende Leistungen angesehen, die nicht zum Kerngeschäft des multinationalen Konzerns gehören und die nicht unter Verwendung einzigartiger immaterieller Wirtschaftsgüter erbracht werden. Die optionale Erleichterung iZm diesen Leistungen besteht darin, dass nur ein vereinfachter Benefit Test (zum Nachweis des Vorteils des Empfängers der Dienstleistung aus der Nutzung der Dienstleistung) erbracht werden muss und ohne weitere Nachweise von einem fixen Kostenaufschlagssatz iHv 5 % ausgegangen werden kann. Nicht als Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung qualifizieren sich jedoch insbesondere Fertigungs- und Produktionsdienstleistungen, Verkaufs- und Vertriebsaktivitäten oder etwa Geschäftsführungsleistungen.
2 Konzerninterne Finanztransaktionen
Großteils völlig neu gefasst wurden in den VPR 2020 die Ausführungen zu den Finanztransaktionen. Dabei wurden im Wesentlichen die jüngsten Aussagen der OECD von Februar 2020 (Transfer Pricing Guidance on Financial Transactions) eingearbeitet und es wird im Detail auf folgende Arten von Finanztransaktionen näher eingegangen: Überlassung von Finanzmitteln im Konzern (Konzerndarlehen), Cash-Pooling, Garantien, Bürgschaften und Patronatserklärungen, Sicherheitsgeschäfte (Hedging) und konzerneigene Versicherungsverhältnisse.
3 Jahresendanpassungen
Zunächst betonen die VPR 2020 erneut die Maßgeblichkeit einer „ex-ante“-Betrachtung im Rahmen der Verrechnungspreisgestaltung. In der Praxis erfolgen jedoch häufig bei konzerninternen Leistungsverhältnissen nachträgliche Anpassungen des Verrechnungspreises am Jahresende auf vorab festgelegte Zielmargen mit dem Ziel, das Ergebnis eines Transaktionspartners auf einen gewünschten Zielwert zu korrigieren. Aufgrund der ex-ante-Betrachtung sollen nach Maßgabe der VPR 2020 diese sogenannten „year end adjustments“ nur mehr bei Einhaltung restriktiver Voraussetzungen fremdüblich sein. Dies wird damit begründet, dass unabhängige Unternehmen in der Regel keine nachträglichen Preiskorrekturen vereinbaren und akzeptieren würden. Vielmehr präferieren die VPR 2020 eine unterjährige Preisanpassung (ex-ante) auf Grundlage eines unterjährigen Monitorings.
4 Immaterielle Werte
Durch die weitgehende Übernahme der Ausführungen der OECD-VPG zu immateriellen Werten (zB Patente, Marken, Know-how) in den VPR 2020 wird nunmehr auch dem sog „DEMPE“-Konzept entsprechend Rechnung getragen. Somit steht neben dem rechtlichen Eigentümer allen an der Wertschöpfung des immateriellen Werts beteiligten (im Rahmen der Ausübung von „DEMPE“-Funktionen) Konzernunternehmen ein fremdüblicher Anteil an den aus dem immateriellen Wert erzielten Erträge zu. Das „DEMPE“-Konzept wird somit fortan auch seitens der VPR 2020 als maßgeblich dafür erachtet, welchen Konzerngesellschaften eine Vergütung aus der Verwertung eines immateriellen Werts zusteht; bloßes Eigentum an einem immateriellen Wert allein wird daher – in Übereinstimmung mit den OECD-VPG – nicht mehr als ausreichend für die Zuweisung von Erträgen iZm immateriellen Werten erachtet.
Vor diesem Hintergrund betonen die VPR 2020 insbesondere auch, dass im Rahmen von konzerninternen Vertriebs- und Marketingaktivitäten im Einzelfall zu prüfen sei, ob ein Vertriebs- oder Marketingunternehmen aufgrund seiner Aktivitäten den Wert der Marke oder der sonstigen immateriellen Marketingwerte steigert, wofür dieser bspw ein höherer Vertriebsgewinn oder sogar eine Gewinnbeteiligung am gestiegenen Markenwert beizumessen wäre.
Bei schwer zu bewertenden immateriellen Werten („hard to value intangibles“) folgt Österreich dem Vorschlag der OECD-VPG und wendet den spezifischen Verrechnungspreis-Ansatz für Geschäftsvorfälle mit immateriellen Werten ab 1. Jänner 2021 an. Schwer zu bewertende immaterielle Werte sind solche, für welche keine verlässlichen Vergleichsdaten existieren und für die im Zeitpunkt der Transaktion die Prognosen zukünftiger Cash Flows höchst unsicher sind. In diesen Fällen kann von der Finanzverwaltung die Fremdüblichkeit der ex-ante-Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel unterstellt und ein ex-post-Wert als Indizienbeweis für eine nachträgliche Anpassung herangezogen werden. Dies soll insbesondere bei signifikanten Differenzen zwischen ex-ante- und ex-post-Werten der Fall sein (zB wenn Differenzen zwischen finanziellen Prognosen und tatsächlichen Ergebnissen zu einer Preiserhöhung für die Übertragung eines immateriellen Werts um mehr als 20 % führen oder wenn nach einer fünfjährigen Vermarktungsperiode eines immateriellen Werts während dieses Zeitraums die Differenz zwischen den finanziellen ex-ante-Prognosen und den tatsächlichen Ergebnissen mehr als 20 % betrug).
5 Konzernstrukturänderungen
Überarbeitet wurde in den VPR 2020 auch das Kapitel zu Konzernstrukturänderungen. In Anlehnung an die OECD-VPG verlangen die VPR 2020 für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Konzernreorganisationen, dass im Rahmen der Strukturänderung etwas an Wert (zB Wirtschaftsgüter oder eine Geschäftstätigkeit) übertragen wird oder bestehende Verträge beendet/wesentlich neu verhandelt werden und in diesen Fällen zwischen fremden Dritten eine Vergütung dafür vereinbart worden wäre. Die bloße Reduktion von Gewinnchancen wird nicht mehr (wie in den VPR 2010) als ausreichend für die Annahme einer fremdüblichen Kompensationsverpflichtung gesehen; allerdings räumen die VPR 2020 ein, dass sich die Übertragung von Gewinnchancen auf die Bewertung von übertragenen Vermögenswerten oder eines Firmenwerts oder von Entschädigungsansprüchen aus Vertragsänderungen auswirken kann.
Zudem betonen die VPR 2020, dass konzerninterne Transaktionen, die nach einer Konzernstrukturänderung durchgeführt werden, zwar ebenso am Maßstab des Fremdvergleichsgrundsatzes zu messen sind, als stünden sie nicht in einem Zusammenhang mit einer solchen Änderung, dass jedoch tatsächliche Unterschiede bestehen können, welche sich auf die Vergleichsanalyse und damit letztlich auf die Höhe des fremdüblichen Verrechnungspreises auswirken können (zB wenn ein vormaliger Eigenhändler, der einen Markt eigenständig aufgebaut hat, im Rahmen einer Reorganisation zu einem limited risk distributor umgewandelt wird).
6 Standortvorteile
Die VPR 2020 weisen explizit darauf hin, dass auch Investitionsbegünstigungen, Zuschüsse von öffentlicher Hand oder steuerliche Begünstigungen (zB Forschungsprämie) Standortvorteile darstellen können. Sofern die Standortvorteile nicht an unabhängige Kunden oder Lieferanten weitergegeben werden, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie diese zwischen den Konzernunternehmen aufzuteilen sind. In diesem Zusammenhang stellen nach Maßgabe der VPR 2020 Vergleichsunternehmen mit vergleichbaren Transaktionen im Zielland den verlässlichsten Indikator für eine fremdübliche Aufteilung von Standortvorteilen dar, sofern solche identifiziert werden können. Entscheidend ist hierbei, zu welchen Konditionen diese Fremdunternehmen ihre Leistungen anbieten würden. In Abhängigkeit von der Verhandlungsmacht des lokalen Unternehmens werden in Kosteneinsparungen bestehende Standortvorteile idR jedoch dem auslagernden Unternehmen zu Gute kommen.
7 Dokumentationspflichten
Auch das Kapitel zu Dokumentationspflichten wurde in den VPR 2020 umfangreich überarbeitet und ausgeweitet. Neu ist die Aussage des BMF, dass die Dokumentation grundsätzlich zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalles erstellt werden muss.
Erfreulich ist die Festlegung, dass bei Vorliegen einer Verrechnungspreisdokumentation entsprechend den Bestimmungen der BAO diese die Vermutung ordnungsgemäßer Führung für sich hat und der Erhebung der Abgaben zu Grunde zu legen ist. In diesem Fall trifft die Abgabenbehörde die Beweislast für den Nachweis, dass die Verrechnungspreise nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Lassen sich die Grundlagen für die Abgabenerhebung indes nicht ermitteln oder berechnen, zB aufgrund mangelnder oder sachlich unrichtiger Dokumentation, so sind die Verrechnungspreise entsprechend zu schätzen.
Bei Verrechnungspreisfällen handelt es sich um Auslandssachverhalte, sodass eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen besteht. So ist beispielsweise bereits während der Geschäftstätigkeit dafür Sorge zu tragen, dass für das Abgabeverfahren erforderliche Unterlagen und Dokumente verfügbar sind.
Zur Erfüllung der Beweismittelbeschaffungs- bzw Beweisvorsorgepflicht bedarf es nach Ansicht des BMF einer Verrechnungspreisdokumentation. Der Umfang und die Struktur derselbigen hängt davon ab, ob die entsprechenden Schwellenwerte des Verrechnungspreisdokumentationsgesetztes (VPDG) überschritten werden oder nicht. Bei Überschreiten bedarf es entsprechender Local bzw Master Files bzw eines länderbezogenen Berichtes nach den Vorgaben des VPDG.
Überraschend ist der hohe Anspruch des BMF an die Verrechnungspreisdokumentation jener Unternehmen, welche die Schwellen des VPDG nicht überschreiten. Diese können sich an den Vorschriften des VPDG orientieren, wobei hinsichtlich des Umfangs und der Struktur der Dokumentation nicht derselbe Maßstab anzulegen sein wird, wie bei Unternehmen, welche die maßgeblichen Schwellen überschreiten. Nichtsdestotrotz soll ein gewisser Mindestinformationsbedarf abgedeckt werden, weshalb jede Verrechnungspreisdokumentation zumindest Basisinformationen enthalten muss. Insbesondere bedarf es der Beschreibung der zur beurteilenden konzerninternen Transaktionen nach Art und Umfang, einer entsprechenden Funktions- und Risikoanalyse und einer Begründung für die angewendete Verrechnungspreismethode. Auch schriftliche Verträge, die im Vorhinein zur Transaktion abgeschlossen wurden, sind wesentlich.
Autor:innen
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Clemens NowotnySteuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person
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Norbert SchrottmeyerWirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person