COVID-19 – Auswirkungen auf die Rechnungslegung und Berichterstattung nach UGB und IRS
News – 09.04.2020
Die dynamische Entwicklung der COVID-19-Pandemie und die aktuellen Maßnahmen rund um COVID-19 im ersten Quartal 2020 beeinträchtigen die lokale, regionale und globale wirtschaftliche Entwicklung. Welche Folgen die Pandemie auf die Wirtschaft letztlich haben wird, ist gegenwärtig noch schwer abzuschätzen. Wesentliche und vielfältige wirtschaftliche Folgen für die Unternehmen sind bereits eingetreten und sind auch für die nächsten Monate zu erwarten. Damit verbunden sind auch Auswirkungen auf die Rechnungslegung. Seitens maßgeblicher internationaler (ESMA, Accountancy Europe, IASB) und nationaler (AFRAC, KSW für Österreich, IDW für Deutschland) Organisationen wurde zwischenzeitig zu einer Reihe von COVID-19 bedingten Auswirkungen auf Rechnungslegung und Jahresabschluss Stellung genommen. Die am 1.4.2020 veröffentlichte AFRAC-Fachinformation COVID-19 sowie die bereits im März veröffentlichten Hinweise des deutschen IDW geben Empfehlungen allgemeiner Art und weisen darauf hin, dass der angemessene Umgang mit den zu beurteilenden Sachverhalten auf Basis der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen ist. Wir fassen nachfolgend die wesentlichen Themen für die Berichterstattung nach UGB und IFRS für Sie zusammen.
1 Wertherstellung versus Wertbeeinflussung
Die ersten Auswirkungen von COVID-19 sind in den Unternehmen bereits eingetreten bzw Maßnahmen in Umsetzung. Es stellt sich dazu die Frage, ab welchem Zeitpunkt sich daraus ergebende Effekte auch in der Rechnungslegung der Unternehmen zu erfassen sind.
Entscheidend für die bilanzielle Einbeziehung der Folgen rund um COVID-19 im Jahresabschluss nach UGB ist, ob ein wertaufhellendes oder wertbegründendes Ereignis vorliegt. Wertaufhellende Erkenntnisse über die Verhältnisse am Abschlussstichtag sind im Jahres- und Konzernabschluss zu berücksichtigen. Dagegen dürfen wertbegründende Tatsachen im laufenden Geschäftsjahr im Abschluss für das vorhergehende im Regelfall nicht berücksichtigt werden.
Stichtag 31.12.2019
Es kann davon ausgegangen werden, dass COVID-19 erst nach dem 31.12.2019 als wertbegründendes Ereignis anzusehen ist. Erste Infektionsfälle sind zwar bereits Anfang Dezember 2019 bekanntgeworden, die Erkrankung wurde in 2019 aber noch als regional begrenzt (beschränkt auf die Stadt Wuhan) eingestuft, weshalb die später in 2020 durch die sprunghafte Ausbreitung von COVID-19 entstandenen ökonomischen Folgen bei Ansatz und Bewertung von Bilanzposten zum 31.12.2019 noch nicht zu berücksichtigen sind. Es dürfen damit beispielsweise auch keine Rückstellungen oder Wertberichtigungen im Bereich der Vorratsbewertung aufgrund von COVID-19 im Jahresabschluss erfasst werden. Abweichendes kann im Einzelfall bei der Konzernabschlusserstellung für Tochterunternehmen in China gelten, da hier schon vor dem Bilanzstichtag 31.12.2019 Auswirkungen entstanden sein können.
Stichtage nach dem 31.12.2019
Für Bilanzstichtage nach dem 31.12.2019 ist der konkrete Zeitpunkt, ab dem die Auswirkungen von COVID-19 bereits als werterhellend einzustufen sind, nach den Umständen des Einzelfalls festzulegen.
Wesentliche Ereignisse für diese Beurteilung stellen dabei die Verkündung der gesundheitlichen Notlage durch die WHO am 30.1.2020 sowie auch die spätere Verkündung der Pandemie durch die WHO am 11.3.2020 dar. Spätestens mit der Ankündigung flächendeckender Maßnahmen durch die österreichische Bundesregierung – am 13.3.2020 – sind die Folgewirkungen von COVID-19 durch österreichische Unternehmen jedenfalls bilanziell zu berücksichtigen. Nach unserer Einschätzung wird jedoch sehr häufig bereits der 31.1.2020 als erster Stichtag einzuschätzen sein, zu welchem die Auswirkungen zu berücksichtigen sind.
Die Regelungen nach IFRS zur Unterscheidung zwischen berücksichtigungspflichtigen und nicht zu berücksichtigenden Ereignissen nach dem Abschlussstichtag sind im Ergebnis vergleichbar mit der unternehmensrechtlichen Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignissen. Ereignisse, die substanzielle Hinweise zu bereits am Abschlussstichtag bestehenden Gegebenheiten liefern, sind zu berücksichtigen, während Ereignisse, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind, im Abschluss nicht berücksichtigt werden dürfen.
2 Going Concern
Sofern aufgrund der COVID-19-Krise nicht mehr von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen werden kann (§ 201 Abs 2 Z 2 UGB), ist der Abschluss unter Abkehr von der Going Concern-Prämisse zu erstellen. Dies hat bedeutende Auswirkungen auf Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (Verwendung von Zerschlagungs-/Liquidationswerten).
Ob die Zugrundelegung der Going Concern-Prämisse vor dem Hintergrund der Entwicklungen rund um COVID-19 noch adäquat ist, muss jeweils für den Einzelfall entschieden werden. Dabei gilt eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip. Der Abschluss ist auch dann unter Abkehr von der Fortführungsannahme zu erstellen, wenn die Ursachen hierfür erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind. Die Going Concern Frage ist somit unabhängig von der Frage der Werterhellung bzw Wertbegründung zu entscheiden. Es sind sämtliche bis zum Tag der Aufstellung verfügbare Informationen zu berücksichtigen. In die Beurteilung sind alle verfügbaren Informationen über die Zukunft, somit auch alle durch COVID-19 bedingten Auswirkungen und Maßnahmen, mit einzubeziehen.
Zur Dokumentation der Angemessenheit der Going Concern-Prämisse kann die Erstellung von Planungsrechnungen (Fortführungsprognose bzw Fortbestehensprognose) erforderlich sein. In diese Planungsrechnungen dürfen auch öffentliche Unterstützungsmaßnahmen (insbesondere Finanzierungen auf Basis von COVID-19 Hilfsmaßnahmen) einbezogen werden, sofern die Kriterien dafür voraussichtlich erfüllt werden und die ernsthafte Absicht besteht, diese in Anspruch zu nehmen.
Sollte die Going Concern-Prämisse nicht mehr angewendet werden können, so ist dies im Anhang zu erläutern und entsprechend zu begründen.
Liegen wesentliche Unsicherheiten zur Fortführungsannahme vor, die ein Abgehen von der Going Concern-Prämisse nicht erfordern, jedoch für die Gewährleistung eines möglichst getreuen Einblicks in die Lage des Unternehmens von Bedeutung sind, ist eine entsprechende Angabe im Anhang vorzunehmen.
Auch für IFRS gilt, dass die Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Abschlussstichtag ein Hinweis darauf ist, dass die Angemessenheit der Annahme zur Unternehmensfortführung zu überprüfen ist (IAS 10.15). Für diese Beurteilung sind alle verfügbaren Informationen über die Zukunft einzubeziehen, mindestens jedoch die ersten zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag. Wesentliche Unsicherheiten, die erhebliche Zweifel an der Fortführung des Unternehmens aufkommen lassen, sind im Abschluss offen zu legen (IAS 1.25f).
3 Berichterstattung in Anhang und Lagebericht
Im Anhang zum Jahres- und Konzernabschluss nach UGB ist über die Auswirkungen rund um COVID-19 zu berichten. Wesentliche – wertbegründende – Ereignisse, die nach dem Abschlussstichtag aufgetreten sind, sind nach § 238 Abs 1 Z 11 UGB im Anhang offenzulegen. Dabei sind sowohl Art als auch finanzielle Auswirkungen von wesentlichen (tatsächlich eingetretenen) Ereignissen anzugeben. Die Angabepflicht betrifft große und mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie kleine Aktiengesellschaften, nicht jedoch kleine Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Zu berichten ist im Anhang über wesentliche Ereignisse, aus denen eine erhebliche Veränderung der Geschäftsentwicklung und der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens resultiert. Wann die wirtschaftlichen Konsequenzen der Ausbreitung von COVID-19 dabei als „wesentlich“ und damit angabepflichtig einzustufen sind, ist von den konkreten Umständen des einzelnen Unternehmens abhängig. In der Praxis wird dies aber wohl auf viele Unternehmen zutreffen.
Auch nach IAS 10 bestehen Angabepflichten für den Fall, dass die Ausbreitung von COVID-19 als nicht zu berücksichtigendes, wesentliches Ereignis einzustufen ist. Anzugeben ist ebenfalls die Art des Ereignisses sowie eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen. Ist eine Schätzung der quantitativen Wirkungen nicht möglich, so muss darauf explizit hingewiesen werden. Dieser Hinweis ist auch für die Angaben in einem UGB Abschluss empfehlenswert, sofern die Schätzung der quantitativen Wirkungen nicht möglich ist.
Berichtspflichten in Bezug auf die Auswirkungen rund um COVID-19 ergeben sich auch für den Lagebericht, konkret bei der Erläuterung über die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens (Prognosebericht) sowie über wesentliche Risiken und Ungewissheiten, denen das Unternehmen ausgesetzt ist (Risikobericht). Angaben im Risikobericht sind vor allem dann erforderlich, wenn die Entwicklungen rund um COVID-19 zu negativen Abweichungen von Prognosen oder Zielen des Unternehmens führen können und die Risikolage durch das Weglassen entsprechender Erläuterungen nicht zutreffend dargestellt werden würde. Dabei wird die Angabe von Absicherungsstrategien (sofern vorhanden) für beschriebene Risiken empfohlen. Die Beschreibung von Risiken und der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens muss zumindest in qualitativer Form erfolgen. Insbesondere auf bestandsgefährdende Risiken ist dabei näher einzugehen.
4 Gewinnausschüttung und Phasenkongruente Dividendenaktivierung
Wird in der Zeit zwischen Bilanzstichtag und Beschlussfassung der Gesellschafter über den Jahresabschluss bekannt, dass das Vermögen der Gesellschaft durch eingetretene Verluste oder Wertminderungen erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend geschmälert worden ist, so ist gemäß § 82 Abs 5 GmbHG der Bilanzgewinn in Höhe der Vermögensschmälerung von der Ausschüttung ausgeschlossen und muss auf Rechnung des laufenden Geschäftsjahres übertragen werden. Darüber hinaus ist eine Gewinnausschüttung unzulässig, wenn diese zu einer Existenzgefährdung der ausschüttenden Gesellschaft führt. Diese aus dem Grundsatz der Kapitalerhaltung resultierenden Gedanken sind auch auf andere Kapitalgesellschaften – wie zB Aktiengesellschaften – zu übertragen.
Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen ist eine sorgfältige Prüfung und Dokumentation der Zulässigkeit von Gewinnausschüttungen im Einzelfall dringend anzuregen. Dazu können Vorschaurechnungen zur Liquiditätsentwicklung, die Aufstellung von Zwischenabschlüssen und die Etablierung von Planungsrechnungen einschließlich relevanter Soll-Ist-Vergleiche und angepasster Forecast-Rechnungen ebenso wie Unternehmensbewertungen (beispielsweise bei Holdinggesellschaften) erforderlich sein.
Gegebenenfalls sind gruppeninterne Finanzierungsinstrumente (Finanzierungszusagen, Gesellschafterfinanzierungen, Cash-Pooling Systeme) in die Überlegungen einzubeziehen. Im Hinblick auf diese gruppeninternen Finanzierungsinstrumente (vor allem bei der Teilnahme an Cash-Pooling Systemen) ist darauf zu achten, dass diese in Einklang mit den gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsgrundsätzen stehen und nicht gegen das Verbot der unzulässigen Einlagenrückgewähr verstoßen.
Neben der gesellschaftsrechtlich bedingten Einschränkung der Ausschüttungsmöglichkeiten können sich aus den Rahmenbedingungen für die COVID-19 Fördermaßnahmen ebenso weitere Einschränkungen hinsichtlich Gewinnausschüttungen ergeben, wie aus der faktischen wirtschaftlichen Entwicklung der betroffenen Gesellschaften. In Bezug auf die COVID-19 Fördermaßnahmen ist nach aktuellem Stand vor allem davon auszugehen, dass Garantien und Zuschüsse aus dem COVID-19-Hilfsfonds mit Ausschüttungseinschränkungen verknüpft sein werden.
Können Ausschüttungen nicht durchgeführt werden, steht dies auch einer phasenkongruenten Dividendenaktivierung entgegen. Für das empfangende Unternehmen bedeutet dies, dass ein wesentliches wertaufhellendes Ereignis vorliegt, welches eine phasenkongruente Aktivierung nicht zulässt. Sollten sich Reduktionen der Gewinnausschüttungen bei Tochterunternehmen ergeben, kann dies daher faktisch zu Rückwirkungseffekten auf den Jahresabschluss der empfangenden Muttergesellschaft auch zum 31.12.2019 führen.
5 Berücksichtigung von Förderungen und Hilfen
Von der österreichischen Bundesregierung wurden bislang umfangreiche wirtschaftliche und finanzielle Unterstützungen für die von der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen umgesetzt bzw angekündigt. Die in diesem Zusammenhang beschlossenen Maßnahmen können sowohl Auswirkungen auf Bilanz/GuV als auch auf erforderliche Angaben in Anhang und Lagebericht haben bzw sind diese auch bei der Beurteilung der Going Concern-Prämisse entsprechend zu berücksichtigen.
Nicht rückzahlbare Zuschüsse der öffentlichen Hand sind nach UGB erst dann ergebniswirksam zu erfassen, wenn zum Bilanzstichtag bereits ein Rechtsanspruch besteht bzw die sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind und bis spätestens zum Zeitpunkt der Abschlussaufstellung eine entsprechende Bewilligung vorliegt. Gegebenenfalls kann auch die Antragsstellung oder ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit später gestellter Antrag ausreichend sein.
Hinreichend konkrete und belastbare Aussagen der Bundesregierung zur Einführung von Hilfen bzw Förderungen sind auch dann im UGB Abschluss schon zu berücksichtigen, wenn noch rechtliche Schritte hinsichtlich ihrer Umsetzung fehlen. Dies betrifft insbesondere
- die Beschreibung wesentlicher Ereignisse nach dem Bilanzstichtag im Anhang,
- die Prognoseberichterstattung im Lagebericht,
- die Bewertung von Forderungen und Beteiligungen und
- die Beurteilung der Fortführungsannahme.
Für Abschlüsse nach IFRS ist zudem die zutreffende Erfassung der Fördereffekte nach Maßgabe des IAS 20 (Öffentliche Zuwendungen) sicherzustellen.
6 Sonstige bilanzielle Auswirkungen auf die UGB-Abschlüsse nach dem 31.12.2019
Vom Stetigkeitsgrundsatz in der Bilanzierung (bezogen auf die Bewertungsmethoden und die Ausübung von Ermessenspielräumen) kann gemäß § 201 Abs 3 UGB bei Vorliegen besonderer Umstände abgewichen werden. Die Auswirkungen rund um COVID-19 können eine solche Möglichkeit bzw Notwendigkeit zur Durchbrechung der Bewertungsstetigkeit darstellen. Es kann daher im Einzelfall eine Anpassung der bisherigen Bilanzpolitik möglich sein. Eine Erläuterung der Vorgehensweise im Anhang ist erforderlich.
Sind die Erkenntnisse über die Folgewirkungen rund um COVID-19 als wertaufhellend im Jahresabschluss nach UGB zu erfassen (dh bei Stichtagen nach dem 31.12.2019), sehen wir wesentliche potenzielle Auswirkungen vor allem bei den folgenden Bilanzpositionen und Bilanzierungsthemen:
- Prüfung der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens und Abschreibungsbedarf bei dauerhafter Wertminderung
- bei immateriellen Vermögensgegenständen (sowie der Berücksichtigung verschlechterter Geschäftsaussichten bei Prüfung der Werthaltigkeit von Firmenwerten)
- bei Sachanlagevermögen (insbesondere bei dauerhaft stillgelegten oder nur eingeschränkt nutzbaren Anlagen)
- Bewertung von Finanzinstrumenten und Finanzimmobilien. Bei der Bewertung von Beteiligungsunternehmen im Rahmen von zukunftsorientierten Ertragswertverfahren oder Discounted-Cashflow-Verfahren ist zu beachten, dass aufgrund der Auswirkungen rund um COVID-19 die bisherigen Businesspläne kritisch zu würdigen und in vielen Fällen anzupassen sind.
- Vornahme von Abschreibungen bei Vorräten aufgrund mangelnder Veräußerungsfähigkeit, gesunkener Umschlagshäufigkeit oder erhöhten Lagerkosten und Auswirkungen auf die Ermittlung der Herstellkosten bei Vorliegen von nicht aktivierbaren Leerkosten (= durch offenbare Unterbeschäftigung überhöhte Gemeinkosten);
- Vornahme von Wertberichtigungen bei Forderungen aufgrund gestiegener Ausfallsrisiken bzw möglicher Zahlungsschwierigkeiten, evtl auch Anhebung der Pauschalwertberichtigung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (jedoch Berücksichtigung von öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen beim Schuldner);
- Änderungen der Restlaufzeiten bei Verbindlichkeiten, wenn es durch die Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen in den Finanzierungsverträgen („Covenants“) zu einer vorzeitigen Fälligstellung von Darlehen kommen kann;
- Bildung von Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen (falls zum Stichtag sowohl der entsprechende Beschluss als auch hinreichend detaillierte Pläne vorliegen und die Betroffenen informiert wurden);
- Bildung von Drohverlustrückstellungen für schwebende Absatz- sowie Beschaffungsgeschäfte und die Prüfung des Erfordernisses der Auflösung von Bewertungseinheiten bei Hedge Accounting;
- Wertkorrekturen bei aktiven latenten Steuern, falls für steuerliche Entlastungen aus Bewertungsdifferenzen oder Verlustvorträgen kein ausreichend gesichertes steuerliches Ergebnis anzunehmen ist.
7 Sonstige bilanzielle Auswirkungen auf IFRS-Abschlüsse nach dem 31.12.2019
Neben den oben dargestellten, im Wesentlichen auch für IFRS Abschlüsse relevanten Themen, wird insbesondere auf folgende Fragestellungen hingewiesen:
- Für alle im Anwendungsbereich von IAS 36 liegenden Vermögenswerte ist zu jedem Abschlussstichtag einzuschätzen, ob ein Anhaltspunkt (triggering event) für eine Wertminderung vorliegt. Es ist davon auszugehen, dass die COVID-19-Pandemie Anzeichen für evtl Wertminderungen hervorruft, was eine Werthaltigkeitsprüfung (Impairment-Test) der betroffenen Vermögensgegenstände erforderlich machen wird, dh es ist der erzielbare Betrag aus dem Vergleich zwischen Fair Value abzüglich Abgangskosten und dem Nutzungswert zu ermitteln. Sämtliche Bewertungsparameter sind an die durch die COVID-19-Pandemie veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Im Einzelfall können umfangreiche Anhangangaben erforderlich sein.
- Bei der Beurteilung der Umsatzrealisierung nach IFRS 15 ist zu prüfen, ob der Erhalt der Gegenleistung noch ausreichend wahrscheinlich ist bzw ob die Höhe der zu erwartenden Gegenleistung anders eingeschätzt wird und daher die Umsatzrealisierung entsprechend anzupassen ist. Bei der Bestimmung des Transaktionspreises ist unter anderem den Auswirkungen variabler Gegenleistungen Rechnung zu tragen. Schätzungen variabler Gegenleistungen könnten anzupassen sein, weil Preisminderungen aufgrund nicht erreichter Bonus-/Rabattziele nicht gewährt werden müssen, oder Rückgaberechte wegen ausgebliebener Nachfrage vermehrt in Anspruch genommen werden.
- Für eine Reihe von Bilanzposten und Bewertungen ist die Ermittlung des Fair Values nach IFRS 13 erforderlich. Bei Verwendung von Level 1-Inputfaktoren (dh nicht angepassten quotierten Preisen auf aktiven Märkten) werden sich die gestiegene Volatilität und der Preisverfall auf den Fair Value auswirken. Auch bei der indirekten Ermittlung (Level 2) unter Verwendung von Bewertungsmodellen auf Basis von Parametern (zB Credit Spreads, risikoloser Zinssatz) werden sich die Auswirkungen zeigen. Level 3-Inputfaktoren beruhen nicht auf beobachtbaren Marktdaten; sie dürfen aber nicht widersprüchlich zu den Annahmen der Marktteilnehmer sein. Insbesondere könnte die Planung künftiger Zahlungsmittelflüsse hier erheblich beeinflusst sein.
- Für die Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9 kann sich in vielen Fällen die Frage nach einer Anpassung des Bewertungsmodells stellen („ECL-Modell“). In Bezug auf Hedge-Beziehungen können sich Fragen nach Hedge-Effizienz und ausreichender Wahrscheinlichkeit der Hedge-Beziehungen stellen.
- Die Bewertung von Miet- und Leasingverträgen gemäß IFRS 16 ist im Hinblick auf mögliche durch die Maßnahmen rund um COVID-19 bedingte Anpassungen aus den Mietverhältnissen zu prüfen.
- Für gemäß IAS 38 in Aktivierung befindliche selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte (beispielsweise Entwicklungskosten) ist eine kritische Prüfung der Ansatzvoraussetzungen unter den geänderten Rahmenbedingungen vorzunehmen.
- Für die Beendigung eines Geschäftszweigs, die Stilllegung von Standorten oder Umorganisationen ist erst eine Rückstellung von Restrukturierungen vorzunehmen, wenn die allgemeinen Ansatzkriterien von Rückstellungen gemäß IAS 37 erfüllt sind. Ein Restrukturierungsbeschluss des Managements ist dazu in der Regel nicht ausreichend. Erforderlich ist jedenfalls eine faktische Verpflichtung des Unternehmens.
- Die Berichterstattung zu Finanzinstrumenten gemäß IFRS 7, einschließlich der Vornahme von Sensitivitäten und der möglichen Berichterstattungspflicht zur Verfehlung von Financial Covenants, ist kritisch zu prüfen.
- Hinsichtlich des gesonderten Ausweises und der gesonderten Bewertung von zur Veräußerung vorgesehenen Vermögenswerten gemäß IFRS 5 ist eine Prüfung der dafür erforderlichen Voraussetzungen unter den gegebenenfalls geänderten Rahmenbedingungen vorzunehmen.
8 Aufstellungs- und Offenlegungsfristen
Für die zeitgerechte Aufstellung und Offenlegung von Abschlüssen wurden in Österreich Erleichterungen mit dem 2. und dem 4. COVID-19 Gesetz eingeführt.
So wird in jenen Fällen, in denen bedingt durch die COVID-19-Pandemie eine Aufstellung des Jahresabschlusses (für Kapitalgesellschaften, Vereine, Genossenschaften) nicht fristgerecht möglich ist, eine Verlängerung der gesetzlichen Frist von 5 Monaten auf 9 Monate für die Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Vorlage an den Aufsichtsrat zugestanden. Gleichzeitig wird für diese Fälle die Frist für die Offenlegung beim Firmenbuch um 3 Monate auf 12 Monate verlängert.
Es ist zu beachten, dass diese Fristverlängerungen ausschließlich für jene Gesellschaften gelten, für welche die bisherige Aufstellungsfrist am 16.3.2020 noch nicht abgelaufen ist (also Gesellschaften mit einem Bilanzstichtag ab 31.10.2019).
Für Gesellschaften, deren Jahresabschluss zum 16.3.2020 bereits hätte aufgestellt sein müssen, kommt es zu einer Fristenhemmung. Die Fristenhemmung bezieht sich auf den Zeitraum von 21.3.2020 bis zum 30.4.2020, wodurch sich die Offenlegungsfrist für diese Jahresabschlüsse um 40 Tage verlängert.
Autor:innen
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Heribert BachWirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person
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Christian OberhumerWirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person