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Deutsch-Österreichische Praxis der Internationalen Sachverhaltsermittlung – Wie und worüber diskutieren die Steuerprüfer?

News – 06.05.2022

1 Das Risiko einer Doppelbesteuerung

International tätige Unternehmen sind bei grenzüberschreitenden Aktivitäten aufgrund komplexer Unternehmensstrukturen und umfangreichen sich ständig ändernden Steuervorschriften oftmals dem Steuerzugriff zweier oder sogar mehrerer Staaten und somit der Gefahr einer potenziellen Doppel- oder Mehrfachbesteuerung ausgesetzt. Insbesondere im internationalen Umfeld ist daher der fundierte Umgang mit derartigen Sachverhalten für Unternehmen entscheidend.

2 Instrumente der Streitvermeidung

Um im Nachgang langwierige sowie teils kostenintensive Verfahren zu vermeiden, können mittels geeigneter Präventivmaßnahmen und Streitvermeidungsinstrumente Besteuerungskonflikte und potenzielle Doppelbesteuerungen bereits im Vorfeld hintangehalten werden. Derzeit stehen den Steuerpflichtigen für diese Zwecke neben rein unilateralen Instrumenten (Begleitende Kontrolle gemäß §§ 153a-g BAO, EAS-Auskünfte des BMF, Auskunftsbescheide gemäß § 118 BAO) folgende bi- und multilaterale Streitvermeidungsinstrumente zur Verfügung:

Bi- und multilaterale Rulings

Gem § 118 BAO können für noch nicht verwirklichte Sachverhalte im Zusammenhang mit dem internationalen Steuerrecht (insbesondere Verrechnungspreisfragen) verbindliche Auskunftsbescheide beantragt werden (unilaterale Rulings). Derartige unilaterale Rulings binden allerdings nur die österreichische Behörde und nicht auch die Behörde der anderen (von der Verrechnungspreisgestaltung) betroffenen Staaten, weshalb keine abschließende Rechtssicherheit begründet wird. Um Auslegungs- und Auffassungsunterschiede ausländischer Finanzverwaltungen vorzubeugen, empfiehlt sich daher eine bi- bzw multilaterale Lösung in Form eines Advance Pricing Agreements (APA) auf Basis von Art 25 OECD-MA. Derartige APAs sind als in einem Vorabverständigungsverfahren getroffene Vereinbarungen im Bereich der Verrechnungspreise zwischen Steuerpflichtigen und einer oder mehreren Steuerverwaltungen zu verstehen und binden sowohl die nationale als auch die ausländische Finanzverwaltung.

Gegenberichtigung auf kurzem Weg

Kommt es im Ausland zu einer Primärberichtung des Verrechnungspreises, kann bei der österreichischen Finanzverwaltung unter bestimmten Umständen eine (korrespondierende) Gegenberichtigung auf kurzem Weg beantragt werden. Auf diese formlose Art und Weise kommt es zur Eliminierung der Doppelbesteuerung ohne Einleitung eines langwierigen Verständigungsverfahrens. Nach den VPR 2021 hat ein solcher Antrag etwa die entsprechenden Nachweise über die sachliche Richtigkeit der ausländischen Korrekturen, eine genaue Sachverhaltsdarstellung, die betroffenen Besteuerungszeiträume, die betreffende Steuerbemessungsgrundlage und Angaben über allfällige relevante Rechtsmittel zu enthalten. Als verfahrensrechtliche Grundlage für die Gegenberichtigung auf kurzem Weg dienen § 303 BAO (Wiederaufnahme des Verfahrens), § 299 BAO oder ein Rechtsmittel gem § 243 BAO (Bescheidbeschwerde). Ein Antrag auf unilaterale Entlastung gem § 48 Abs 5 BAO wird in der Regel nicht mehr in Betracht kommen, da dieser seit dem EU-Finanzanpassungsgesetz 2019 nur dann anwendbar ist, wenn dem Steuerpflichtigen keine bilaterale Möglichkeit zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung (dies ist idR nur bei Drittstaaten der Fall, mit denen kein DBA abgeschlossen wurde).

Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen (Multilateral Control – MLC)

In diesem Bereich besteht basierend auf § 12 AHG (in Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie DAC) bzw Art 26 OECD-MA die Möglichkeit von Simultanbetriebsprüfungen (gleichzeitige Außenprüfungen), bei denen es sich um zwei oder mehr parallel durchgeführte Steuerprüfungen handelt. Die teilnehmenden Finanzverwaltungen sammeln dabei separat ihre eigenen Informationen und tauschen diese anschließend mit der anderen Steuerverwaltung aus. Daneben gibt es auch noch die durch DAC-7 wieder verstärkt in den Fokus gerückte Alternative von sogenannten Joint Audits (gemeinsame Außenprüfungen), die den Simultanprüfungen grundsätzlich sehr ähneln, sich jedoch im Wesentlich darin unterscheiden, dass die beiden Steuerverwaltungen sich zu einem einzigen Prüfungsteam zusammenschließen und gemeinsam mit dem Steuerpflichtigen physisch vor Ort tätig werden. Diese koordinierte Vorgehensweise ermöglicht im Vergleich zu Simultanprüfungen einen effizienteren und für den Steuerpflichtigen transparenteren Informations- und Ergebnisaustausch.

Neben dieser Vielzahl an bereits bestehenden Streitvermeidungsinstrumenten gibt es auf europäischer und internationaler Ebene weitere – aus Sicht der Steuerpflichtigen zu begrüßende – Bestrebungen zur Prävention von Doppelbesteuerungen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das von der OECD vorangetriebene Projekt „International Compliance Assurance Programme“ (ICAP) bzw das daran angelehnte Pilotprojekt „European Trust and Cooperation Approach“ (ETACA) der EU. Dadurch befindet sich ein weiteres Tool zur effektiven Streitvermeidung in Planung und kurz vor Umsetzung. Ziel des ICAP/ETACA ist eine aktive, kooperative und transparente Zusammenarbeit zwischen multinationalen Unternehmensgruppen mit den nationalen Steuerverwaltungen, um im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Gestaltungen frühzeitig eine Risikobewertung und -absicherung (zB in Bezug auf Verrechnungspreis- oder Betriebsstättenrisiken) vorzunehmen. Basierend auf einer derartigen Risikobewertung soll in Form eines outcome letters von den involvierten Steuerverwaltungen eine Risikoeinschätzung abgegeben werden, die in Form von Zusagen über das Absehen von einer weiteren Überprüfung im Besteuerungsverfahren (zB eine Außenprüfung) bis hin zur Beschränkung der Prüfung auf nur bestimmte (dh als risikoreich eingestufte) Bereiche reichen kann. Derartige Zusagen sollen basierend auf dem Treu-und-Glauben Grundsatz oder in Form eines Auskunftsbescheids bzw APAs Bindung erlangen und zur weiteren Rechtssicherheit beitragen.

3 Instrumente der Streitbeilegung

Ungeachtet der Vielzahl an zur Verfügung stehenden Instrumenten zur Streitvermeidung und der Bemühungen seitens der österreichischen Finanzverwaltung (welche letztendlich auch an das Entgegenkommen bzw die Bereitschaft der ausländischen Finanzverwaltungen gebunden ist), kommt es in der Praxis nicht selten zum Eintritt einer tatsächlichen Doppel- und Mehrfachbesteuerung, gegen die den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Verständigungs- bzw Schiedsverfahrens (Mutual Agreement Procedure – MAP) offensteht. Als potenzielle Rechtsgrundlagen für ein derartiges Verfahren dient hierbei primär Art 25 OECD-MA, der durch die teilweise Umsetzung des MLI in einigen DBA um ein obligatorisches Schiedsverfahren ergänzt wurde. Nichtsdestotrotz ist es für Steuerpflichtige unzufriedenstellend, dass doch eine Vielzahl von DBA kein verpflichtendes Schiedsverfahren vorsieht und die Chancen auf eine Beseitigung der Doppelbesteuerung mangels Einigungszwang im Rahmen eines Verständigungsverfahrens daher im Vorhinein als gering einzuschätzen sind.

Neben Art 25 OECD-MA hat auch die EU mit dem für Verrechnungspreisfragen relevanten Schiedsübereinkommen sowie mit den nationalen Umsetzungen der EU-StreitbeilegungsRL (in Österreich durch das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz; in Deutschland durch das EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz) weitere Rechtsgrundlagen für bi- und multilaterale Verständigungs- bzw Schiedsverfahren geschaffen. Der große Vorteil der EU-StreitbeilegungsRL liegt in dem darin vorgesehenen Einigungszwang (als Ergebnis des Schiedsverfahrens). In der Praxis ist es für Unternehmen daher unumgänglich, Expert:Innen zur verfahrensstrategischen Beratung heranzuziehen, um etwa die optimalen Rechtsgrundlage für Verständigungs- und Schiedsverfahren zu wählen und die Wechselwirkungen zwischen nationalen Rechtsmittelverfahren und internationalen Streitbeilegungsmechanismen im Überblick zu behalten.

Die Notwendigkeit von internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren zeigt sich auch bei einem Blick auf offizielle Statistiken der OECD. Im Jahr 2020 wurde weltweit in ca 2.500 Fällen ein Verständigungsverfahren eingeleitet, wobei auf Österreich dabei knapp 110 Fälle entfallen (40 davon stehen im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen). Wenig überraschend ist in diesem Zusammenhang, dass die Mehrheit der österreichischen Verständigungsverfahren mit Deutschland geführt werden.

Betreffend die durchschnittliche Verfahrensdauer lässt sich feststellen, dass eine Beendigung des Verständigungsverfahrens in Österreich im Vergleich zum OECD-Schnitt deutlich schneller erfolgt. Dessen ungeachtet tragen die langwierigen Verfahren von ca 22 Monaten bei Verrechnungspreisfällen und von knapp 17,5 Monaten bei anderen Doppelbesteuerungskonflikten aus Sicht der Steuerpflichtigen nicht gerade zur Attraktivierung von internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren bei. Bedenkt man zusätzlich, dass nach der OECD Statistik nur knapp die Hälfte der eingeleiteten Verfahren mit einer Einigung und somit mit einer endgültigen Beseitigung der Doppelbesteuerung enden, sind die größten Nachteile derartiger Verfahren – nämlich der oftmals fehlende Einigungszwang sowie die lange Verfahrensdauer – schnell aufgezeigt. Dem fehlenden Einigungszwang soll nunmehr durch die EU-StreitbeilegungsRL entgegengewirkt werden. Zusammenfassend zeigt sich in der internationalen und nationalen Entwicklung eine rasant steigende Anzahl an Verständigungs-/Schiedsverfahren sowie ein positiver Trend Richtung kürzerer Verfahrensdauern.

 

 

Autor:innen

  • Gebhard Furherr
    Wirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | Gesellschafter

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