EuGH: Umsatzsteuer bei Aufladen von Elektrofahrzeugen
News – 02.05.2023
Urteil des EuGH
Im gegenständlichen Fall erbrachte ein Unternehmer iZm dem Aufladen von Elektrofahrzeugen das nachstehend angeführte Leistungsbündel und war fraglich, ob es sich hierbei für umsatzsteuerliche Zwecke um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handelt:
- Bereitstellung von Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge (einschließlich der Verbindung des Ladegeräts mit dem Betriebssystem des Fahrzeugs),
- Übertragung von Elektrizität mit entsprechend angepassten Parametern an die Batterien des Elektrofahrzeugs,
- Notwendige technische Unterstützung für die betreffenden Nutzer und
- Bereitstellung von IT‑Anwendungen, die es dem betreffenden Nutzer ermöglichen, einen Anschluss zu reservieren, den Umsatzverlauf einzusehen und in einer elektronischen Geldbörse gespeichertes Guthaben zu erwerben und für die Bezahlung der Aufladungen zu verwenden
Der EuGH kam in seinem Urteil vom 20.4.2023 (Rs C-282/22, Dyrektor Krajowej lnformacji Skarbowej) zum Ergebnis, dass die Übertragung der Elektrizität den charakteristischen und dominierenden Bestandteil der einheitlichen und komplexen Leistung darstellt und somit das Leistungsbündel als einheitliche Lieferung von Elektrizität zu qualifizieren ist. Bei den anderen Leistungen handelt es sich lediglich um das Mittel, um die Lieferung von Elektrizität unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können und stellen diese somit Nebenleistungen dar, die das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung (Lieferung von Elektrizität) teilen. Der Umstand, dass der Preis auf Grundlage der Dauer des Aufladens (und nicht etwa der gelieferten Energiemenge) berechnet wird, führt nicht zu einer Qualifikation als sonstige Leistung.
Fazit
Durch die gegenständliche Entscheidung ist nunmehr klargestellt, dass ein von einem Unternehmer erbrachtes Leistungsbündel in Form der Bereitstellung von Ladevorrichtungen und Übertragung von Elektrizität für Elektrofahrzeuge als eine einheitliche Lieferung zu qualifizieren ist. Dies steht wohl in Einklang mit der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung in den Umsatzsteuer-Richtlinien (siehe Rz 474e) und schafft für derartige Fälle Rechtssicherheit für die beteiligten Unternehmer (insbesondere in Bezug auf die Anwendung der Leistungsortvorschriften und der möglichen Anwendbarkeit des reverse-charge Verfahrens für Lieferungen von Elektrizität an Wiederverkäufer).
Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei den im Rahmen des gegenständlichen Urteils beantworteten Fragen nur um einen kleinen Teilbereich handelt. In der Praxis stellen sich bei der Übertragung von Elektrizität für E-Fahrzeuge mittels Ladestationen erfahrungsgemäß eine Vielzahl weiterer umsatzsteuerlicher Fragen, welche derzeit in der Rechtsprechung noch nicht abschließend beleuchtet wurden. Insbesondere die nachstehend angeführten Fragen müssen daher aktuell im Einzelfall anhand allgemeiner umsatzsteuerlicher Grundsätze geprüft werden, um eine umsatzsteuerlich korrekte Abwicklung zu gewährleisten:
- Gelten die Schlussfolgerungen des EuGH auch dann, wenn ein Unternehmer (zB Plattform/App-Betreiber) derartige Leistungen nicht selbst erbringt, sondern lediglich von einem anderen Unternehmer (einzelne) Leistungen einkauft und anschließend als ein Bündel weiterveräußert?
- Gelten Ladestationen als fest mit Grund und Boden verbunden, sodass damit verbundene Dienstleistungen stets am Ort der Ladestation als erbracht gelten?
- Können Ladestationen als Bauwerk iSd reverse-charge Vorschriften für Bauleistungen qualifiziert werden (sodass es zB bei Bezug bzw der Weiterverrechnung diesbezüglicher Errichtungs-, Montage- oder Wartungsleistungen zum Übergang der Steuerschuld kommen kann)?
- Können ausländische Unternehmer durch den Betrieb österreichischer Ladestationen eine feste Niederlassung begründen?
- Müssen für die erbrachten Leistungen an die Kunden formgerechte Rechnungen im Sinn des Umsatzsteuergesetzes ausgestellt werden?
Autor:innen
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Peter PichlerSteuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person