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Fehlende Rechtsschutzmöglichkeit im Amtshilfeverfahren unionsrechtswidrig?

News – 10.08.2020

An österreichische Auskunftspersonen (zB eine Bank oder ein Unternehmen) gerichtete Auskunftsersuchen der österreichischen Finanzverwal-tung, die in Erfüllung eines ausländischen Amtshilfeersuchens ergehen, sind in Österreich nicht gesondert mit Rechtsmittel anfechtbar. Demnächst wird der EuGH zur luxemburgischen Rechtslage zu entscheiden haben, ob der Ausschluss einer Rechtsschutzmöglichkeit gegen derartige Auskunftsersuchen unionsrechtskonform ist (Rechtssachen C-245/19 und C-246/19). Folgt der EuGH den am 2.7.2020 ergangenen Schlussanträgen der Generalanwältin, könnte sich auch die österreichische Rechtslage als unionsrechtswidrig erweisen.

Der Fall

Ausgangspunkt der beim EuGH anhängigen Rechtssachen ist ein Amtshilfeersuchen der spanischen an die luxemburgische Finanzverwaltung über eine in Spanien ansässige Künstlerin. Die Amtshilfeersuchen wurden auf die Amtshilferichtlinie (Amtshilfe-RL) und das Doppelbesteuerungsabkommen Spanien/Luxemburg gestützt.

Um dem Amtshilfeersuchen nachzukommen, stellte die luxemburgische Finanzverwaltung ihrerseits Auskunftsersuchen an eine luxemburgische Gesellschaft (Rs C-245/19) und eine luxemburgische Bank (Rs C-246/19). Bei der luxemburgischen Gesellschaft wurden Vertragskopien iZm den Rechten der Künstlerin sowie zugehörige Rechnungen angefordert, bei der luxemburgischen Bank Informationen über Konten, Kontostände und andere Vermögenswerte der Künstlerin sowie über Vermögenswerte einer von der Künstlerin kontrollierten Gesellschaft.

Obwohl die luxemburgische Rechtsordnung gegen Auskunftsersuchen keinen gesonderten Rechtsbehelf zuließ, wurden von der luxemburgischen Bank, der luxemburgischen Gesellschaft, der Künstlerin und der von der Künstlerin kontrollierten Gesellschaft Rechtsbehelfe beim luxemburgischen Verwaltungsgericht erhoben. Hervorzuheben ist, dass bereits das luxemburgische Verwaltungsgericht die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Auskunftsersuchen als unionsrechtswidrigen Verstoß gegen Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) ansah und die erhobenen Rechtsbehelfe als zulässig erachtet. Der in zweiter Instanz mit den Rechtsbehelfen befasste luxemburgische Verwaltungsgerichtshof (Cour administrative) legte die Sache schließlich dem EuGH zur Vorabentscheidung vor und wollte wissen,

  • ob bereits das Auskunftsersuchen einen Grundrechtseingriff beim Auskunftsverpflichteten, dem Steuerpflichtigen und weiteren dadurch betroffenen Dritten darstellt, gegen den ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art 47 GRC statthaft sein muss (erste Vorlagefrage) und
  • wie konkret und präzise ein Auskunftsersuchen im Hinblick auf die betroffenen Personen gefasst sein muss, damit die ersuchte Steuerbehörde die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der angeforderten Information für das Abgabenverfahren im anderen Mitgliedstaat beurteilen kann (zweite Vorlagefrage).

Schlussantrag der Generalanwältin

In ihren Schlussanträgen vom 2.7.2020 hat Generalanwältin Kokott im Wesentlichen folgendes festgehalten.

Die erste Vorlagefrage soll dahingehend beantwortet werden, dass im Rahmen der Amtshilfe-RL ergehende Auskunftsersuchen vom Auskunftsverpflichteten, dem betroffenen Steuerpflichtigen und weiteren betroffenen Dritten vor den Gerichten des Mitgliedstaates anfechtbar sein müssen. Die bloße Möglichkeit, einen etwaigen späteren Steuerbescheid oder einen in Zusammenhang mit der Nichtbefolgung des Auskunftsersuchens ergehenden Bußgeldbescheid anfechten zu können, bietet keinen ausreichenden Rechtsschutz gemäß Art 47 GRC.

Hinsichtlich der zweiten Vorlagefrage schlägt die Generalanwältin vor, dass die eine Amtshilfe ersuchende Finanzverwaltung ein Informationsersuchen hinreichend begründen muss, damit einerseits die ersuchte Finanzverwaltung beurteilen kann, ob die voraussichtlich Erheblichkeit der angefragten Informationen für die Steuerfestsetzung durch die ersuchende Finanzverwaltung nicht offenkundig fehlt und anderseits sich die vom Auskunftsersuchen betroffenen Adressaten wirksam verteidigen können. Aus dem Ersuchen müssen sich konkrete Anhaltspunkte für die steuerrelevanten Tatsachen oder Vorgänge ergeben, um eine unzulässige Beweisausforschung (fishing expedition) auszuschließen. Eine bloß „formelhafte Begründung“ genügt nicht.

Österreichische Rechtslage

An österreichische Auskunftspersonen (zB eine Bank oder ein Unternehmen) gerichtete Auskunftsersuchen der österreichischen Finanzverwaltung, die in Erfüllung eines ausländischen Amtshilfeersuchens ergehen, sind eine verfahrensleitende Verfügung und können vom Auskunftsverpflichteten nicht gesondert mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochten werden (§ 2 Abs 1 ADG iVm § 138 iVm § 172 iVm § 244 BAO).

Bei Nichtbefolgung eines Auskunftsersuchens kann die österreichische Finanzverwaltung gegenüber dem Auskunftsverpflichteten eine Zwangsstrafe verhängen, wobei die bloße Androhung der Zwangsstrafe noch nicht anfechtbar ist (§ 111 Abs 4 BAO). Erst die Festsetzung einer Zwangsstrafe ist mit Rechtsmittel bekämpfbar.

Mögliche Auswirkungen auf Österreich

Folgt der EuGH den Schlussanträgen der Generalanwältin, ergeben sich in Österreich iZm Amtshilfeersuchen der Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten weitreichende Folgen.

Einerseits ist den von einem derartigen Auskunftsersuchen betroffenen Auskunftsverpflichteten eine Rechtsschutzmöglichkeit einzuräumen. Die derzeit vorgesehene Möglichkeit durch Nichtbefolgung des Auskunftsersuchens eine Zwangsstrafe zu provozieren und in weiterer Folge die Zwangsstrafe anzufechten, ist unionsrechtlich nicht ausreichend.

Andererseits ist auch den von einem derartigen Auskunftsersuchen betroffenen Steuerpflichtigen oder anderen betroffenen Dritten (zB Geschäftspartner des Steuerpflichtigen) eine Rechtsschutzmöglichkeit einzuräumen. Nach der derzeitigen Praxis scheitert ein wirksamer Rechtsschutz bereits daran, dass der betroffene, in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige oder Dritte vom Auskunftsersuchen – mangels Zustellung – keinerlei Kenntnis erlangt. Bestätigt der EuGH die Schlussanträge, werden diese Betroffenen künftig entsprechend zu informieren sein bzw ist ihnen das Auskunftsersuchen ebenso zuzustellen.

Für den Auskunftsverpflichteten ergibt sich angesichts dieser erweiterten Rechtsschutzmöglichkeiten ein Spannungsverhältnis.

  • Kann bzw darf er die abverlangten Informationen/Dokumente herausgeben, wenn er von einem gegen das Auskunftsersuchen erhobenen Rechtsmittel des betroffenen Steuerpflichtigen oder Dritten Kenntnis erlangt oder die Rechtsmittelfrist gegen das Auskunftsersuchen für diese – mangels wirksamer Zustellung – noch nicht abgelaufen ist?
  • Drohen dem Auskunftsverpflichteten ggf nachteilige (schadenersatzrechtliche) Konsequenzen, wenn die abverlangten und ausgehändigten Informationen zum Nachteil des betroffenen Steuerpflichtigen oder Dritten gereichen und das Auskunftsersuchen von den Gerichten letztlich als rechtswidrig aufgehoben wird?

In Zusammenhang mit der von der Generalanwältin geforderten hinreichenden Begründung von Amtshilfeersuchen kann sich letztlich ein wirksamer Rechtsschutz gegen unzulässige Beweisausforschungen (fishing expedition) ausländischer Finanzverwaltungen etablieren. Ein Rechtsschutzbedürfnis kann sich für sämtliche in Österreich ansässige Auskunftsverpflichtete wie bspw österreichische Banken oder Konzerngesellschaften und für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Steuerpflichtige oder sonstige betroffene Dritte (zB Geschäftspartner des Steuerpflichtigen) ergeben.

Sind auch Sie mit unzulässigen Auskunftsersuchen konfrontiert und versuchen dagegen vorzugehen? Gerne unterstützen Sie unsere Experten dabei.

Autor:innen

  • Gebhard Furherr
    Wirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | Gesellschafter
  • Gerald Gahleitner
    Steuerberater | Partner | Gesellschafter
  • Johannes Reiter
    Steuerberater | Director

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