Umsatzsteuer Aktuell – April 2024
Newsletter – 03.06.2024
Das monatliche mailingLeitner – Umsatzsteuer Aktuell für April 2024, in dem wir Sie zu folgenden Themen informieren:
- Überschreiten der Kleinunternehmerschwelle
- Pfandverwertung ist keine Nebenleistung zur Darlehensgewährung
- Abgrenzung Einzweck- vs Mehrzweck-Gutscheine
- Unentgeltliche Zuwendungen
- Vorsteuerausschluss und (positive) Vorsteuerberichtigung iZm gemischt genutztem Gebäude
- Qualifikationen einer Krankenanstalt und ermäßigter Steuersatz
- Umsatzsteuerliche Behandlung der Tagesbetreuungen bei öffentlichen Ganztagsschulen
- Kein Vorsteuerabzug bei fehlender Überprüfung der UID-Nummer auf ihre Gültigkeit des Leistungsempfängers
Art 213 MwStSystRL Überschreiten der Kleinunternehmerschwelle
Bei Überschreiten der Kleinunternehmerschwelle entsteht die Steuerpflicht auch dann, wenn der Unternehmer die Frist zur Registrierung als „normaler“ Unternehmer für umsatzsteuerliche Zwecke nicht eingehalten hat.
EuGH, 11.4.2024, C‑122/23, Legafact
Art 135 Abs 1 lit b MwStSystRL Pfandverwertung ist keine Nebenleistung zur Darlehensgewährung
- Die Gewährung eines Darlehen, das mit einem Pfand besichert ist, stellt dem Grunde nach eine steuerfreie Kreditgewährung nach Art 135 Abs 1 lit b MwStSystRL dar.
- Verwertet der Darlehensgeber in der Folge dieses Pfand (zB durch Versteigerung) und erhält hierfür Provisionen, stellt dies kein Entgelt für eine (steuerfreie) Nebenleistung zur Darlehensgewährung dar.
- Dies deshalb, da die Leistungen weder materiell noch formal voneinander abhängig sind und die Versteigerung kein übliches Ergebnis der Gewährung eines durch ein Pfandrecht besichertes Darlehen ist, sondern nur dann erfolgt, wenn der Darlehensnehmer seine Verpflichtung aus dem Vertrag nicht erfüllt.
EuGH, 18.4.2024, C-89/23, Companhia União de Crédito Popular
Art 30a und 30b MwStSystRL Abgrenzung Einzweck- vs Mehrzweck-Gutscheine
- Ein Einzweck-Gutschein liegt dann vor, wenn im Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins bereits der Leistungsort als auch die geschuldete Mehrwertsteuer, für die an den Endkunden zu erbringende Leistung feststeht.
- Für die Einordnung als Einzweck- oder Mehrzweck-Gutscheine ist hingegen irrelevant, inwieweit der Gutschein im Rahmen des Vertriebs zwischen (in- oder ausländischen) Unternehmern übertragen wurde.
- Der Weiterverkauf von Mehrzweck-Gutscheinen kann als gesonderte steuerbare Dienstleistung (zB Vertriebs- oder Absatzförderungsleistung) an den Unternehmer eingestuft werden, der als Gegenleistung für diese Gutscheine die Gegenstände oder die Dienstleistungen tatsächlich dem Endverbraucher übergibt bzw erbringt.
EuGH, 18.4.2024, C‑68/23, Finanzamt O
Art 16 MwStSystRL Unentgeltliche Zuwendungen
- Die unentgeltliche Abgabe von selbst erzeugter Wärme eines Unternehmers an andere Unternehmer für deren wirtschaftliche Tätigkeit unterliegt der Eigenverbrauchsbesteuerung.
- Bemessungsgrundlage ist der Selbstkostenpreis und umfasst neben unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten auch mittelbar zurechenbare Finanzierungsaufwendungen.
EuGH, 25.4.2024, C‑207/23, Finanzamt X
12 Abs 10 UStG Vorsteuerausschluss und (positive) Vorsteuerberichtigung iZm gemischt genutztem Gebäude
- Nach § 12 Abs 2 Z 1 UStG werden gemischt genutzte Gegenstände (zB Gebäude) grundsätzlich zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet, es sei denn, dass nur eine anteilige Zuordnung bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitgeteilt wird.
- Für ein im Jahr 2011 angeschafftes und unternehmerisch genutztes Gebäude mit mehreren Wohnungseinheiten bei dem iZm einem Dachgeschoßausbau eine neu geschaffene Wohnung zunächst vom Unternehmern und seiner Familie unter Vorsteuerausschluss privat genutzt und ab dem Jahr 2018 umsatzsteuerpflichtig an Dritte vermietet wurde, steht daher für das Jahr 2018 (ab dem Zeitpunkt der steuerpflichtigen Vermietung) eine positive Vorsteuerberichtigung in voller Höhe zu.
VwGH, 20.3.2024, Ra 2022/15/0099
10 Abs 2 Z 8 UStG Qualifikationen einer Krankenanstalt und ermäßigter Steuersatz
- Unabhängig von der ertragsteuerlichen Einstufung liegen bei Krankenanstalten (zB Ambulatorium für medizinisch und chemische Labordiagnostik) Umsätze als Krankenanstalt iSd UStG vor, wenn die folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- die Möglichkeit der gleichzeitigen Behandlung mehrerer Personen
- das Bestehen einer Organisation, die jener einer Anstalt entspricht
- die Bestellung eines Stellvertreters des ärztlichen Leiters, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, dass mindestens zwei Ärzte der Krankenanstalt zur Verfügung stehen
- der (Behandlungs-)Vertrag wird nicht (nur) mit dem Arzt, sondern (auch) mit der Einrichtung, die unter sanitätsbehördlicher Aufsicht steht, abgeschlossen.
- Für die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalt ist gemäß § 10 Abs 2 Z 8 UStG der ermäßigte Steuersatz iHv 10 % anzuwenden.
- Selbst, wenn die Tätigkeit ertragsteuerlich als Liebhaberei eingestuft wird, hat dies auf die Umsatzsteuer keine Auswirkung, da gem § 6 LVO Liebhaberei im umsatzsteuerlicher Sinn nur bei Betätigungen iSd § 1 Abs 2 LVO vorliegen kann.
BFG, 08.2.2024, RV/5100986/2020
2 Abs 3 iVm § 12 Abs 1 UStG Umsatzsteuerliche Behandlung der Tagesbetreuungen bei öffentlichen Ganztagsschulen
- Bei ganztägigen Schulformen iSd § 8 lit j SchOG (Schulen, an denen neben dem Unterricht eine Tagesbetreuung angeboten wird) erfolgt sowohl die Erteilung des Unterrichts als auch die Tagesbetreuung im Rahmen von hoheitlichen Befugnissen.
- Da aus umsatzsteuerlicher Sicht ein Hoheitsbetrieb vorliegt, ist der gesetzliche Schulleiter nicht zum Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für die mit dieser Tätigkeit verbundenen Investitionen berechtigt.
- Anmerkung: Revision wurde eingebracht
BFG, 20.3.2024, RV/6100329/2023
UStG Kein Vorsteuerabzug bei fehlender Überprüfung der UID-Nummer auf ihre Gültigkeit des Leistungsempfängers
- Erbringt ein Unternehmer eine Dienstleistung (zB Transortdienstleistungen) für die es zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger kommt (Reverse Charge), die übergegangene Steuerschuld aber vom Empfänger nicht ordnungsgemäß erklärt wurde, liegt eine Umsatzsteuerhinterziehung vor.
- Dem leistenden Unternehmer kann für die damit zusammenhängenden Eingangsleistungen (zB Subunternehmerleistungen) der Vorsteuerabzug versagt werden, wenn er die UID-Nummer des Empfängers nicht auf Gültigkeit überprüft hat.
- Die unterlassene Prüfung gilt nämlich als Sorgfaltsverletzung, sodass angenommen wird, dass der Unternehmer von der nachgelagerten Umsatzsteuerhinterziehung wusste oder hätte wissen müssen.
BFG, 27.3.2024, RV/7101598/2020
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Autor:innen
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Hannes GurtnerWirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person