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VwGH entscheidet zur Anwendung des Sondersteuersatzes bei unverbrieften Derivaten

Newsletter – 23.03.2022

In einem kürzlich veröffentlichten Judikat hat der Verwaltungsgerichtshof die geltende nationale Rechtslage zur Besteuerung unverbriefter Derivate teilweise als unionsrechtswidrig eingestuft (VwGH 8.3.2022, Ro 2019/15/0184). Konkret befand das Höchstgericht, dass Einkünfte aus unverbrieften Derivaten, die von ausländischen Kreditinstituten abgewickelt werden, entgegen dem Gesetzeswortlaut dem Sondersteuersatz von 27,5 % zugänglich sind.

Steuerliche Rahmenbedingungen

Nach geltender Rechtslage unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich dem Sondersteuersatz von 27,5 %. Die Finanzverwaltung verlangt diesfalls das Vorliegen des öffentlichen Angebots in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, was vom Gesetzeswortlaut freilich nicht gedeckt ist.

Von der Anwendung des Sondersteuersatzes sind jedoch Einkünfte aus unverbrieften Derivaten ausgenommen (§ 27a Abs 2 Z 7 EStG), sodass auf diese der progressive Steuersatz anzuwenden ist. Die Ausnahme greift aber dann nicht, wenn das (inländische) Kreditinstitut in die Abwicklung und Auszahlung der Erträge eingebunden ist und freiwillig einen Kapitalertragsteuerabzug vornimmt. Die abgezogene KESt von 27,5 % ist mit Endbesteuerungswirkung verbunden, die Einkünfte werden auch im Rahmen des Verlustausgleichs berücksichtigt.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Sachverhalt erzielte der Anleger im Jahr 2017 Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über eine dänische Bank bezogen wurden. Bei den Derivaten handelte es sich um Contracts for Difference (CDF), Futures, Optionen und Termingeschäfte. Entsprechend der gesetzlichen Regelung hat die Finanzverwaltung die Einkünfte dem progressiven Steuersatz unterworfen. Das Begehren des Steuerpflichtigen auf die Anwendung des Sondersteuersatzes von 27,5 % wurde abgewiesen. Das mit dem Fall in weiterer Folge befasste Bundesfinanzgericht (BFG) hat die Finanzverwaltung in ihrem Vorgehen bestätigt.

Erkenntnis des VwGH

Der VwGH hat die Entscheidung des BFG aufgehoben. In seiner Argumentation hat das Höchstgericht festgehalten, dass Einkünfte aus unverbrieften Derivaten – je nachdem, ob über in- oder ausländische Zahlstelle bezogen – steuerlich ungleich behandelt werden. Konkret ist ein freiwilliger Kapitalertragsteuerabzug nur bei Abwicklung durch inländische Kreditinstitute zulässig, damit ist aber der Sondersteuersatz von 27,5 % auf rein inländische Fälle eingeschränkt. Die steuerliche Ungleichbehandlung ergebe sich nicht aus der Art der Einkünfte, sondern aus der Einschränkung des günstigeren Sondersteuersatzes auf den Inlandssachverhalt. Damit ist aber die einschlägige gesetzliche Vorschrift des § 27a Abs 2 Z 7 EStG geeignet, österreichische Anleger von einer Veranlagung in unverbriefte Derivate im Ausland abzuhalten, sodass ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art 56 AEUV) vorliegt. Für diese unionswidrige Rechtslage bestehen aber nach Ansicht des VwGH keine Rechtfertigungsgründe.

Aufgrund des Vorrangs des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts muss nach Ansicht des VwGH die nationale Regelung unangewendet bleiben. Mit anderen Worten müssen Einkünfte aus unverbrieften Derivaten, die von einem ausländischen Kreditinstitut abgewickelt werden, dem Sondersteuersatz von 27,5 % im Wege der Veranlagung unterworfen werden. Unbeachtlich ist wohl dabei, dass solche Einkünfte in einem Inlandsfall beim Fehlen eines (freiwilligen) KESt-Abzugs weiterhin dem progressiven Steuersatz unterliegen würden.

Fraglich ist, ob der unionsrechtswidrige Zustand durch die Ökosoziale Steuerreform beseitigt wurde, mit der die einschlägigen steuerlichen Vorschriften zur Besteuerung unverbriefter Derivate geändert wurden. Demnach dürfen auch ausländische Banken die österreichische KESt von 27,5 % von Einkünften aus unverbrieften Derivaten einbehalten und an das Finanzamt abführen. Voraussetzung ist jedoch, dass mit dem jeweiligen Staat umfassende Amtshilfe besteht und von der Bank ein österreichischer steuerlicher Vertreter bestellt wurde.

Veranstaltungshinweis

Das Ökosoziale Steuerreformgesetz 2022 (Teil I), dabei insbesondere die neuen steuerlichen Rahmenbedingungen für Kryptoveranlagungen, sind der Themenschwerpunkt unserer Veranstaltung für die Bankenindustrie am 20. April 2022 im Palais Coburg. Wir freuen uns auf gemeinsame Diskussionen, gerne können Sie sich unter meeting.leitner@leitnerleitner.com anmelden.

Autor:innen

  • Sabine Kirchmayr-Schliesselberger
    Steuerberaterin | Prof. an der Universität Wien | Of Counsel
    Details zur Person
  • Tatjana Polivanova-Rosenauer
    Steuerberaterin | Partnerin | Gesellschafterin
    Details zur Person
  • Yvonne Schuchter-Mang
    Steuerberaterin | Partnerin | Gesellschafterin
    Details zur Person

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