Update zu den verfahrensrechtlichen Sonderregelungen betreffend Covid-19
News – 25.03.2020
Seitens des Gesetzgebers und der Verwaltung wurden unter anderem mit dem am letzten Wochenende beschlossenen 2. COVID-19-Gesetz und des gestern veröffentlichten BMF-Erlasses zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die betroffenen Steuerpflichtigen in dieser finanziell heiklen Phase bestmöglich zu unterstützen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Zahlungserleichterungen im Zusammenhang mit fälligen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen, die Herabsetzungsmöglichkeit von Steuervorauszahlungen und über die Erleichterungen bei behördlichen und gerichtlichen Fristen.
1 Zahlungserleichterungen
Zahlungserleichterungen können sowohl für zu entrichtende Abgaben (umfasst alle Steuerarten, wird in der Praxis aber insbesondere bei der Umsatzsteuer, den Lohnabgaben und anderen Selbstbemessungsabgaben kurzfristig relevant sein) als auch für zu entrichtende Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen werden. Für die Erlangung der Zahlungserleichterungen ist folgendes zu beachten:
- Abgaben: Um eine Zahlungserleichterung in Form einer Stundung oder Ratenzahlung (vorerst bis längstens 30.9.2020) zu erhalten, ist ein Antrag bei der Abgabenbehörde einzubringen. In diesem Antrag ist ein durch das Corona-Virus bedingter Liquiditätsengpass glaubhaft zu machen. Der Antrag ist nach Möglichkeit über die entsprechende Funktion in FinanzOnline einzubringen. Für jene Abgabepflichtige, die FinanzOnline nicht verwenden, steht auf der Homepage des BMF ein Musterformular zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist auf den BMF-Erlass vom 24.3.2020 zu verweisen (ersetzt den Erlass vom 13.3.2020). Darüber hinaus kann bei der Abgabenbehörde bereits im Stundungsantrag angeregt werden, von der Festsetzung von Stundungszinsen abzusehen.
- Sozialversicherungsbeiträge: Für die mit einem Betretungsverbot belegten Unternehmen und von Betriebsbeschränkungen und Schließungen betroffenen Unternehmen werden die Sozialversicherungsbeiträge (nach ASVG, BMSVG und den jeweiligen Landarbeitsordnungen) betreffend die Beitragszeiträume Februar, März und April 2020 automatisch (amtswegig) verzugszinsenfrei gestundet. Für alle anderen Unternehmen kommt eine verzugszinsenfreie Stundung nur auf Antrag in Betracht, wobei eine Glaubhaftmachung von durch das Corona-Virus bedingten Liquiditätsproblemen notwendig ist.
Die Stundungsvoraussetzungen sollten in beiden Fällen im Zeitpunkt der Antragstellung dokumentiert werden, etwa durch eine Liquiditätsplanung über den voraussichtlichen Zeitraum der Corona-Krise (aktuell drei bis sechs Monate; vgl Zeitraum Kurzarbeit). Eine gesonderte Prüfung der Stundungsvoraussetzungen wird allerdings notwendig sein, wenn es zu insolvenzbedingten Ausfällen und damit verbundenen Haftungsfolgen kommen kann.
2 Steuervorauszahlungen
Bereits festgesetzte Vorauszahlungen an Einkommen- und Körperschaftsteuer für das Jahr 2020 können bis 31.10.2020 auf Antrag herabgesetzt werden. Im Antrag sind die durch das Corona-Virus bedingten steuerlichen Ertragseinbußen glaubhaft zu machen.
Wurden Vorauszahlungen an Einkommen- und Körperschaftsteuer für das Jahr 2020 noch nicht festgesetzt, besteht die Möglichkeit, bei der Abgabenbehörde anzuregen, von der Festsetzung der Einkommen- und Körperschaftsteuervorauszahlungen für das Jahr 2020 abzusehen oder die Festsetzung auf einen Betrag zu beschränken, der niedriger ist, als die voraussichtliche Jahressteuer 2020. In dieser Anregung ist der durch das Corona-Virus ausgelöste Liquiditätsnotstand glaubhaft zu machen.
Führt die nachfolgende Veranlagung aufgrund der Herabsetzung bzw Nichtfestsetzung zu einer Nachforderung, ist von der Festsetzung von Nachforderungszinsen von Amts wegen abzusehen.
3 Erleichterungen für Betriebsprüfungen
Um die zurzeit ohnehin sehr beschränkten Kapazitäten der betroffenen Unternehmen nicht noch zusätzlich in Anspruch zu nehmen, gibt es auch Erleichterungen im Prüfungs- und Kontrollbereich. Daher sind alle Außenprüfungshandlungen (Betriebsprüfungen), Nachschauen und sonstige Erhebungen zu unterlassen, auszusetzen oder zu unterbrechen, die Ressourcen der betroffenen Unternehmen binden. Sollte eine Fortsetzung oder ein rascher Abschluss der Prüfung dennoch gewünscht sein, empfiehlt sich eine Kontaktaufnahme mit dem Prüfer und dem zuständigen Finanzamt.
4 Fristunterbrechungen bei Rechtsmittelverfahren
Zahlreiche Fristen bei anhängigen Verfahren werden (vorerst) unterbrochen, um zu gewährleisten, dass Bürgerinnen und Bürger aufgrund der außerordentlichen Situation keine Rechtsschutznachteile durch Versäumung wichtiger Fristen erleiden. Davon betroffen sind insbesondere Rechtsmittelfristen (Beschwerdefristen, Vorlageantragsfristen, Revisionsfristen), die am 16.3.2020 noch nicht abgelaufen waren oder die erst nach dem 16.3.2020 zu laufen beginnen. Diese Fristen werden (vorerst) bis 30.4.2020 unterbrochen und sollen mit 1.5.2020 neu zu laufen beginnen.
Auch bei anhängigen Verfahren im Verwaltungsrecht und dem Finanzstrafrecht kommt es zu einer Fristunterbrechung. Im Finanzstrafrecht werden die Einspruchsfrist, die Rechtsmittelfrist und die Frist zur Anmeldung einer Beschwerde unterbrochen. Im Verwaltungsrecht kommt es neben umfassenden Fristunterbrechungen unter anderem auch zur Unterbrechung der Verjährungsfrist.
5 Abgabe von Steuererklärungen, Quotenregelung
Den laufenden Erklärungspflichten (insbesondere Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen) ist nach wie vor fristgerecht nachzukommen.
Sind Sie durch einen Steuerberater/Wirtschaftsprüfer vertreten, sind alle noch nicht eingereichten Steuererklärungen 2018 (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Jahresumsatzsteuer) erst bis 31.8.2020 einzureichen (Verlängerung der Quotenregelung). Gesonderte Anträge auf Fristerstreckung sind in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
Für steuerlich nicht vertretene Abgabepflichtige wird die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen 2019 (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Jahresumsatzsteuer) auf den 31.8.2020 erstreckt.
6 Einschränkungen des mündlichen Behördenverkehrs
Mit den zur Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus getroffene Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit und den zwischenmenschlichen Kontakt einschränken, geht auch eine Einschränkung des mündlichen Verkehrs zwischen den Abgabenbehörden und den Abgabepflichtigen einher. Ein mündlicher Behördenverkehr (einschließlich der Entgegennahme mündlicher Anbringen des Abgabepflichtigen) hat demnach nur in Ausnahmefällen zu erfolgen, wenn dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Gleiches gilt für mündliche Verhandlungen und Vernehmungen mit Ausnahme von audiovisuellen Vernehmungen.
7 Einreichung von Jahresabschlüssen – Fristenhemmung
Mit dem 2. COVID-19 Gesetz wurde für Erklärungen, die bei einem Gericht abgegeben werden, eine Fristenhemmung eingeführt. Diese Fristenhemmung umfasst auch die neunmonatige Offenlegungsfrist für Jahresabschlüsse und die zweimonatige Frist für die Verhängung wiederholter Zwangsstrafen.
Die Fristenhemmung gilt für alle Fristen, die entweder vor dem 22.3.2020 begonnen haben und zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen sind oder zwischen dem 22.3.2020 und dem 1.5.2020 (vorbehaltlich einer weiteren Verlängerung) zu laufen begonnen haben.
Das bedeutet, dass sich die Frist zur Einreichung von Jahresabschlüssen, die nach dem 21.3.2020 beim Firmenbuchgericht einlangen müssen (derzeit, vorbehaltlich einer weiteren Verlängerung), um 40 Tage verlängert. Bei einem Abschlussstichtag 31.12. ist der Jahresabschluss daher zB bis zum 9.11.2020 (anstatt 30.9.2020) beim Firmenbuchgericht einzureichen.
Für Fragen sowie bei der praktischen Umsetzung der Maßnahmen steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei LeitnerLeitner sowie unsere Verfahrensrechtsexperten Rainer Brandl und Johannes Prillinger jederzeit gerne zur Verfügung.
Autor:innen
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Rainer BrandlSteuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person
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Johannes PrillingerSteuerberater | PartnerDetails zur Person