VwGH bestätigt Verzinsung von Umsatzsteueransprüchen
News – 28.07.2021
Unterliegen Umsatzsteuerrückforderungen (zB Vorsteuerguthaben), die vom Finanzamt erst nach Durchführung von Prüfungsmaßnahmen zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt anerkannt werden, der Verzinsung?
Im Urteil vom 12. Mai 2021 (Rs C-844/19, TechnoRent International ua) hat sich der EuGH mit dieser Frage beschäftigt und diesbezüglich über zwei verschiedene Fälle wie folgt entschieden: Einerseits ging es darum, dass ein Steuerpflichtiger in der Umsatzsteuervoranmeldung einen Überschuss an Vorsteuern geltend machte, welcher jedoch erst Jahre später nach Durchführung einer Umsatzsteuerprüfung im Rechtsmittelverfahren anerkannt wurde. Andererseits machte ein Unternehmer iZm einer in Österreich umsatzsteuerpflichtigen Maschinenlieferung nachträglich eine Minderung des Entgelts bzw eine Umsatzsteuergutschrift geltend, welche ebenfalls erst nach Durchführung entsprechender Prüfungsmaßnahmen anerkannt wurde. Der EuGH kommt zum Ergebnis, dass in beiden Fällen die vom Steuerpflichtigen beantragte Verzinsung zu erfolgen hat, wenn die Erstattung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt.
In seiner Nachfolgeentscheidung verweist der VwGH darauf, dass sich entsprechend den Feststellungen des EuGH die unionsrechtliche Pflicht zur Verzinsung von Mehrwertsteuerbeträgen zwar nicht aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht ergibt (VwGH-Urteil vom 30. Juni 2021, Ro 2017/15/0035-9, Verfahren betreffend Geltendmachung Vorsteuerüberschuss). Den Ausführungen des EuGH folgend habe der VwGH jedoch alles in seiner Zuständigkeit Liegende zu unternehmen, um die volle Wirksamkeit und Erfüllung dieser unionsrechtlichen Verpflichtung durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts bzw durch eine unionsrechtskonforme analoge Anwendung von Bestimmungen aus der gesamten nationalen Rechtsordnung sicherzustellen.
Das österreichische materielle Abgabenrecht kennt im Bereich der Umsatzsteuer keine spezifische Verzugszinsenpflicht, mit der im Sinne der Rechtsprechung des EuGH die finanziellen Verluste durch die fehlende Verfügbarkeit der Geldbeträge durch eine Zinszahlung ausgeglichen würden. Auch das österreichische Abgabenverfahrensrecht sieht keine allgemeine Verzinsung von Abgabenschulden oder Abgabengutschriften vor. Allerdings enthält die Bundesabgabenordnung (BAO) für mehrere konkret definierte Tatbestände sehr wohl Zinsfolgen.
Der VwGH verweist in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen für Anspruchszinsen (§ 205 BAO), Beschwerdezinsen (§ 205a BAO) sowie Aussetzungszinsen (§ 212a BAO). Diese Vorschriften erlauben hinsichtlich der beantragten Zinsen von Umsatzsteuer-Ansprüchen eine Rechtsanalogie. In entsprechender Anwendung des diesen Bestimmungen zu Grunde liegenden Regelungsprinzips besteht der vom Revisionswerber geltend gemachte Zinsenanspruch zu Recht. Analog zu den angeführten Bestimmungen ist der Zinssatz von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auch in Fällen der Verzinsung von Umsatzsteuer-Ansprüchen heranzuziehen (derzeit beträgt der effektive Zinssatz 1,38 % aufgrund des negativen Basiszinssatzes).
Hinsichtlich der Frage des genauen Beginns eines solchen Zinsenlaufs ist nach Ansicht des VwGH mangels gesetzlicher Regelung eine einzelfallbezogene Prüfung erforderlich. Unionsrechtlich kann zwar ein zinsfreier Zeitraum für eine angemessene abgabenrechtliche Prüfung bestehen, danach besteht aber eine Pflicht zur Verzinsung.
Conclusio und Handlungsempfehlung
Nach derzeitiger Rechtslage können österreichische Steuerpflichtige nur dann (Beschwerde-)Zinsen im Bereich der Umsatzsteuer beantragen, soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens herabgesetzt wird. Mit der vorliegenden Rechtsprechung werden die Möglichkeiten der Verzinsung von Umsatzsteuerrückforderungsansprüchen jedoch wesentlich erweitert. Zu denken ist nicht nur an Fälle, bei denen das Finanzamt geltend gemachte Vorsteuern oder eine Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage zunächst nicht bzw erst nach Durchführung längerer Prüfungsmaßnahmen anerkennt. Vielmehr scheinen die Grundsätze der Rechtsprechung allgemein auf sämtliche Fälle übertragbar, bei denen einem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Umsatzsteuerrückforderung zusteht, bei welchen es jedoch durch die Finanzverwaltung zu Verzögerungen bei der tatsächlichen Rückerstattung kommt.
Steuerpflichtige sollten prüfen, ob solche bzw vergleichbare Fälle in ihrem Unternehmen bestehen und daher ein Antrag auf Verzinsung der Umsatzsteuerrückforderung an das Finanzamt gestellt werden kann.
Autor:innen
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Peter PichlerSteuerberater | Partner | GesellschafterDetails zur Person