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Bundesfinanzgericht (BFG) befürwortet Progressionsvorbehalt durch Quellenstaat: Auswirkungen auf die Praxis und Rechtsschutzmöglichkeiten

News – 25.02.2021

In einer wenig beachteten Entscheidung vom 14. Mai 2020, RV/7100310/2020, hat das Bundesfinanzgericht (BFG) ausgesprochen, dass ausländische Einkünfte auch dann im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind, wenn Österreich bloß der Quellenstaat ist. Dies stellt eine Abkehr von der bisherigen Verwaltungspraxis dar. Auf Basis dieser BFG-Entscheidung ergehen in der Praxis bereits erste Vorhalte der Finanzverwaltung.

1 Der Fall

Eine Arbeitnehmerin wurde von ihrem slowakischen Arbeitgeber befristet nach Österreich entsandt, um für eine österreichische, konzernzugehörige Gesellschaft zu arbeiten. Die Arbeitnehmerin behielt ihren slowakischen Wohnsitz bei, begründete in Österreich berufsbedingt jedoch einen weiteren Wohnsitz. Aufgrund ihres (Zweit-)Wohnsitzes in Österreich war die Arbeitnehmerin in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die Mehrheit der Arbeitstage der Arbeitnehmerin entfielen auf Österreich, der Rest auf die Slowakei. Unter Annahme der abkommensrechtlichen Ansässigkeit der Arbeitnehmerin in der Slowakei splittete der Arbeitgeber die Bezüge entsprechend der physisch im jeweiligen Staat ausgeübten Tätigkeitstage auf.

Bei der Berechnung des österreichischen Einkommensteuersatzes berücksichtigte das Finanzamt im Rahmen der Veranlagung der -Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit auch die in der Slowakei steuerpflichtigen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehaltes (trotz unbestrittener abkommensrechtlicher Ansässigkeit in der Slowakei). Das Finanzamt agierte damit abweichend zu den EStR Rz 7595: „Ist ein Abgabepflichtiger in Österreich bloß auf Grund eines Zweitwohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig, kommt wegen des im Ausland befindlichen Mittelpunktes der Lebensinteressen auf Grund der Abkommensdefinitionen nur dem ausländischen Staat die Funktion des Wohnsitzstaates zu, sodass in Österreich im Allgemeinen kein Progressionsvorbehalt geltend gemacht werden kann (einfacher Progressionsvorbehalt zu Gunsten des Wohnsitzstaates).“

Gegen den Einkommensteuerbescheid brachte die Arbeitnehmerin das Rechtsmittel der Beschwerde beim BFG ein.

2 Die Entscheidung des BFG

Das BFG hält im Wesentlichen fest, dass die Slowakei als Ansässigkeitsstaat gemäß Art 23 Abs 1 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Österreich/Slowakei die in Österreich steuerpflichtigen Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehaltes berücksichtigen darf. Die Frage, ob Österreich als Quellen- bzw Tätigkeitsstaat einen Progressionsvorbehalt hinsichtlich der in der Slowakei steuerpflichtigen Einkünfte geltend machen darf, wird – so das BFG – in Art 23 Abs 1 DBA Österreich/Slowakei nicht explizit angesprochen. Unter Verweis auf die Ausführungen des OECD-Musterkommentars zum OECD-Musterabkommen, wonach es der Methodenartikel des Art 23 A OECD-MA nicht ausschließt, dass der Progressionsvorbehalt (auch) vom Quellen- bzw Tätigkeitsstaat nach dessen innerstaatlichem Recht angewendet wird, kommt das BFG zu folgendem Schluss: „Daraus ergibt sich, dass die ausländischen Einkünfte der Bf. in Österreich zwecks Anwendung eines Progressionsvorbehalts ungeachtet ihrer Ansässigkeit in der Slowakei iSd Art 4 Abs 2 DBA-Slowakei zu berücksichtigen sind.“

Im Ergebnis bejaht das BFG somit die Geltendmachung des Progressionsvorbehalts bei unbeschränkter Steuerpflicht in Österreich aufgrund eines (Zweit-)Wohnsitzes, auch wenn Österreich aus abkommensrechtlicher Sicht bloß der Quellenstaat (und eben nicht der Ansässigkeitsstaat) ist. Die BFG-Entscheidung ist bereits rechtskräftig, da keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben wurde.

3 Auswirkungen auf die Praxis und Rechtsschutzmöglichkeit

Nach der oa BFG-Rechtsprechung sollten natürliche Personen, die in Österreich einen (Zweit-)Wohnsitz haben und in Österreich tarifsteuerpflichtige Einkünfte beziehen (zB Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung), abkommensrechtlich aber im DBA-Ausland ansässig sind, zur Vermeidung finanzstrafrechtlicher Risiken künftig ihre Einkommensteuererklärung unter Angabe der im Ausland tarifsteuerpflichtigen Einkünfte einreichen.

Für vergangene Zeiträume ergehen in der Praxis bereits erste Vorhalte der Finanzverwaltung dahingehend, dass um Offenlegung allfälliger ausländischer tarifsteuerpflichtigen Einkünfte ersucht wird.

Sollten sich für vergangene Zeiträume auf Basis der oa BFG-Rechtsprechung Abgabennachforderungen ergeben, besteht zum einen die Möglichkeit, die oa BFG-Rechtsprechung im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof überprüfen zu lassen.

Zum anderen besteht die Möglichkeit, eine Nachsicht wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 236 BAO hinsichtlich der Abgabennachforderung zu begehren. Denn es ist davon auszugehen, dass die Geltendmachung eines derartigen Abgabenanspruchs in Widerspruch zu einer nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegung steht, die im Vertrauen auf die bisherige Verwaltungspraxis gesetzt wurde.

Autor:innen

  • Gebhard Furherr
    Wirtschaftsprüfer | Steuerberater | Partner | Gesellschafter
  • Johannes Reiter
    Steuerberater | Director

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